Leitsatz
Wer keine abgeschlossene Berufsausbildung erhalten hat, kann zur Steuerberaterprüfung auch dann nicht zugelassen werden, wenn er durch seine in praktischer Berufstätigkeit erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen über eine für die Prüfung und die spätere Tätigkeit als Steuerberater ausreichende "Vorbildung" verfügt.
Normenkette
§ 36 StBerG
Sachverhalt
Ein ehemaliger Jurastudent mit nach der Zwischenprüfung abgebrochenem Studium möchte zur Steuerberaterprüfung zugelassen werden. Er hat bereits während seines Studiums ein Unternehmen gegründet und geleitet. Später war er in verschiedenen Unternehmen sowie bei Verbänden "im steuerlichen Bereich" tätig.
Entscheidung
Der Kläger kann nicht zur Prüfung zugelassen werden, weil er die Voraussetzung abgeschlossene Ausbildung mit anschließender (langjähriger) Berufstätigkeit auf steuerlichem Gebiet nicht erfüllt, mag er auch Kenntnisse und Fähigkeiten erworben haben, die ihn zur Prüfungsteilnahme an sich befähigen.
Hinweis
Zur Steuerberaterprüfung zugelassen werden kann auch, wer eine der in § 36 StBerG aufgezählten Berufsausbildungen erhalten hat (Hochschulstudium oder kaufmännische Berufsausbildung, Ausbildung als Bilanzbuchhalter oder Steuerfachwirt) und im Anschluss daran eine einschlägige praktische Tätigkeit für eine bestimmte Zeit ausgeübt hat. Zugelassen werden kann aber auch, wer "eine andere gleichwertige Vorbildung" hat (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 2. Alternative StBerG).
Heißt das, dass auch steuerrechtlich gleichsam angelernte Prüfungsbewerber zugelassen werden können, wenn sie nur auf ihrem bisherigen Lebensweg eine ausreichende, der in einem der genannten Ausbildungsgänge erlangten gleichwertige Vorbildung erworben haben? Oder muss der Bewerber in jedem Fall (zunächst) eine (gleichsam theoretische) Berufsausbildung genossen haben?
In diesem Sinn hat der BFH entschieden: Der Beruf des Steuerberaters ist kein "Anlernberuf", sondern ein "Ausbildungsberuf", wenn auch einige der zugelassenen Ausbildungsgänge nur sehr wenig auf die Tätigkeit der Steuerberatung bezogen sind und in Anspruch und Komplexität weit hinter den Anforderungen an einen Steuerberater zurückbleiben!
Verfassungsrechtlich unproblematisch ist diese klar aus dem StBerG zu entnehmende Regelung freilich nicht! Denn Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht, jede Tätigkeit, für die man sich geeignet glaubt, zur Grundlage der Lebensführung, also zum Beruf zu machen. Einschränkungen dieses Rechts sind nur aus Gründen des Gemeinwohls unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig. Es liegt sicher grundsätzlich in diesem Rahmen, den Beruf des Steuerberaters als Ausbildungsberuf mit Zusatzprüfung nach langjähriger Berufstätigkeit auszugestalten. Jeder kann sich entscheiden, ob er diesen Weg beschreiten oder eben einen anderen Beruf ergreifen will.
Aber wie ist es mit den (Ausnahme-)Fällen, in denen der vom Gesetz vorgezeichnete Weg in zumutbarer Weise nicht (mehr) beschritten werden kann, weil das "Leben" des Betreffenden einen anderen, vielleicht unvorhersehbaren Verlauf genommen hat? Ist es dann noch gerechtfertigt, die Prüfungszulassung mangels Ausbildung zu verweigern, obwohl zweifellos das für den Steuerberater erforderliche steuerliche Fachwissen im Rahmen der in § 36 Abs. 1 und 2 StBerG genannten Ausbildungsgänge i.d.R. nicht oder doch nicht in ausreichendem Umfang vermittelt wird, insbesondere sicher nicht in einer kaufmännischen Ausbildung.
Der BFH hat diese Zweifel deutlich benannt, aber gleichwohl die strenge und engherzige gesetzliche Regelung als (gerade?) noch im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit belegen hingenommen. Dafür spielt u.a. eine entscheidende Rolle, dass eine erste Berufsausbildung, wie sie das Gesetz verlangt, erforderlich erscheinen kann, um die fachliche Grundlage für die spätere Aneignung der theoretischen und praktischen steuerlichen Fachkenntnisse zu legen, die der Steuerberater benötigt (vgl. BFH, Urteil vom 28.08.1990, VII R 25/89, Haufe-Index 63064, BStBl II 1991, 154). Und den mutmaßlich wenigen, für welche die Möglichkeit, eine Berufsaubildung aufzunehmen und Steuerberater zu werden, erst spät ins Blickfeld kommt, gleichwohl einen Prüfungszugang zu eröffnen, hat der BFH den Gesetzgeber jedenfalls nicht für von Verfassungs wegen verpflichtet gehalten.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 07.10.2009 – VII R 45/07