Prof. Dr. Thomas Reichmann, Prof. Dr. Martin Kißler
1.1 Einordnung der Bedeutung des Finanzcontrollings für das Unternehmen und seine Organe
Die Hauptaufgabe der finanziellen Unternehmensführung und damit auch des Finanzcontrollings als einem Teil des gesamtunternehmensbezogenen Controllings liegt in der Sicherstellung der Liquidität, verstanden als die Fähigkeit des Unternehmens, zu jedem Zeitpunkt die zwingend fälligen Auszahlungsverpflichtungen uneingeschränkt erfüllen zu können. Die Liquiditätssicherung ist als strenge Nebenbedingung des Rentabilitätsstrebens anzusehen, denn Zahlungsunfähigkeit führt als Insolvenzgrund neben der Überschuldung bei Kapitalgesellschaften i. d. R. zum Ende der Unternehmensexistenz.
Damit wird die Aufrechterhaltung der Liquidität zu einer entscheidenden Aufgabe der Unternehmensführung. Zudem hat die Erhaltung dieser ständigen Zahlungsbereitschaft und des finanziellen Gleichgewichts bei gleichzeitiger Beachtung des Rentabilitätszieles zu erfolgen.
Das Finanzcontrolling unterstützt die Unternehmensführung bei einer kostenoptimalen Finanzierung, welche auch die Autonomie des Unternehmens berücksichtigt. Neben der Entscheidung über den grundlegenden Einsatz alternativer Finanzierungsinstrumente ist auch die Auswirkung anderer unternehmerischer Entscheidungen auf die Finanzierungsmöglichkeiten des Unternehmens zu berücksichtigen. Die Regelungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht haben hierbei grundsätzlich zu einem Paradigmenwechsel geführt.
Mittels Kennzahlen und Management-Tools ermöglicht es das Controlling der Unternehmensführung, das Unternehmen vor diesem Hintergrund optimal zu steuern. Im Rahmen der Corporate-Governance-Diskussion wurde zudem neben dem Vorstand auch der Aufsichtsrat stärker in die Pflicht (und Haftung) genommen. Dieser hat nicht nur Geschäfte von grundlegender Bedeutung für die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens von seiner Zustimmung abhängig zu machen (Ziffer 3.3. des DCGK); zudem ist in Ziffer 5.3.4 angeraten, dass dieser sich in Ausschüssen ebenfalls – und damit konzentriert – mit dem Thema der Finanzierung beschäftigt.
Nachfolgend werden die Möglichkeiten vorgestellt, wie sich Vorstand und Aufsichtsrat mit Hilfe eines Kennzahlensystems einen laufenden Überblick über die Liquidität und Finanzierungsstruktur des Unternehmens verschaffen können und wie die Bonität – und damit das Kreditrisiko – aus der Perspektive eines Externen ermittelt werden kann.
1.2 Liquidität im RL-Kennzahlensystem
Das RL-Kennzahlensystem, das eine Weiterentwicklung des Kennzahlensystemgedankens darstellt, ist sowohl für Analysezwecke als auch als Hilfsmittel für die Unternehmensführung konzipiert, wo es im Rahmen des Planungs- und Kontrollprozesses entscheidungsbezogene Informationen liefern soll. Im Hinblick auf die von der Unternehmensführung zu treffenden Entscheidungen ist eine zweckgerechte Auswahl hinsichtlich des Inhalts, Umfangs und der Struktur der Informationen festzulegen. Hierbei ist davon auszugehen, dass diese Informationen nicht anstatt derjenigen aus dem betrieblichen Rechnungswesen, sondern zusätzlich zu diesen bereitzustellen sind.
Die Beschränkung auf relativ wenige Kennzahlen ist dadurch möglich, dass mit Hilfe der Systemtheorie die wesentlichen entscheidungsrelevanten Kenngrößen in ihren wechselseitigen Zusammenhängen herausgestellt werden, ohne ihre gegenseitige formal mathematische Verknüpfung über Hilfskennzahlen im Einzelnen darzustellen. Eingebettet in diese Aussagelogik übersteigt der Aussagewert der verwendeten Kennzahlen des RL-Kennzahlensystems den einzelner Key Performance Indicators (s. Abb. 1 und 2). Die zentralen Kenngrößen des Steuerungssystems sind die Größen:
Der Erfolg, der für die laufende Steuerung benötigt wird, setzt sich zusammen aus
- dem aus der Umsatz- und Kostenplanung abgeleiteten ordentlichen Betriebsergebnis,
- dem aus den laufenden Zinserträgen und dem Beteiligungsergebnis resultierenden ordentlichen Finanzergebnis sowie
- dem außerordentlichen Ergebnis.
Die Liquidität selbst ist hingegen kein originäres Ziel. Sie ist jedoch eine unerlässliche Voraussetzung für den Bestand des Unternehmens. Die Größen des Systems stellen zunächst Plangrößen dar. In die Unternehmensplanung werden nur Sachverhalte aufgenommen, die als Einzelgrößen schon hinreichend wichtig und einer Planung zugänglich sind, wie z. B. Umsatz und Betriebsergebnis. Aufgrund regelmäßiger Soll-Ist-Vergleiche liefert dieses System Informationen für unternehmerische Entscheidungen. Die Ermittlung von Kennzahlen hängt vom jeweiligen Zweck ab und erfolgt sowohl jährlich als auch innerhalb kürzerer Zeiträume.
Abb. 1: Rentabilitätskennzahlen
Die Existenz des Unternehmens hängt davon ab, ob die Liquidität gesichert ist. Dabei handelt es sich um ein gesamtbetriebliches Problem, das nur für das Unternehmen als Ganzes geplant und kontrolliert werden kann. Die Zahlungsbereitschaft des Unternehmens hängt dabei von der Höhe un...