Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Eine Aufteilung in mehrere – an unterschiedliche Personen ausgeführte – Schenkungen kann nur dann zu dem gewünschten Ziel führen, wenn es sich nicht um einen einheitlichen Schenkungsvorgang oder um einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO handelt, der zu einer unmittelbaren Schenkung an die eigentlich begünstigte Person führen würde.
Einheitlicher Schenkungsvorgang oder Gestaltungsmissbrauch führen zu gleichen Ergebnissen
Ob ein einheitlicher Schenkungsvorgang oder ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, hat keinen Einfluss auf die Rechtsfolgen. In beiden Fällen ist der "Umweg" über die Mittelsperson steuerrechtlich unbeachtlich. Teilweise überschneiden sich auch aus der Rechtsprechung die Voraussetzungen dieser beiden Möglichkeiten.
Ein einheitlicher Schenkungsvorgang liegt vor, wenn eine Vertragsgestaltung gewählt wird, bei der ein von Anfang an fest gefasster Wille vorliegt, nach der ein abschließend Begünstigter vorliegt, die Zuwendung aber (teilweise) über eine Mittelsperson geleistet wird.
Hat sich die Mittelsperson erkennbar ebenfalls diesem einheitlichen Ziel unterworfen und kommt ihr insoweit keine eigene Verfügungsbefugnis (Dispositionsbefugnis) zu, liegt direkt ein Erwerb zwischen dem Zuwendenden und dem Endbegünstigten vor. Hat der Schenker die Mittelsperson rechtlich bindend zur Weitergabe geschenkter Beträge an einen Dritten verpflichtet, liegt ein direkter Erwerb des Dritten von dem Schenker vor.
Einheitlicher Schenkungsvorgang
Vater V wendet seiner Tochter T einen Geldbetrag in Höhe des persönlichen Freibetrags mit der Auflage zu, mit diesem Geldbetrag eine Einlageverpflichtung gegenüber einer mit einem Dritten zu gründenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu erfüllen. Darüber hinaus wendet V seiner Ehefrau F einen weiteren Geldbetrag unterhalb des persönlichen Freibetrags zu. Diesen Geldbetrag wendet die F der T zur weiteren Erfüllung der Einlageverpflichtung zu.
In dem vorliegenden Fall ging der BFH von einem einheitlichen Schenkungsvorgang zwischen V an die T aus. Eine Schenkung zwischen der F und der T wurde nicht angenommen. Dem mit dem Abschluss der Verträge angestrebten Ziel hat sich auch die F unterworfen. Sie sollte über die ihr von ihrem Ehemann zufließenden Geldmittel in keiner anderen Weise als durch Weitergabe an die T verfügen. Insoweit hat sie lediglich die Zuwendungen des V an die T vermittelt, ohne selbst bereichert zu sein. Danach war die T auch hinsichtlich der über die F an sie gelangten Geldmittel aus dem Vermögen des V bereichert. Es kann nur der persönliche Freibetrag zwischen V und T angerechnet werden.
Keine Weitergabeverpflichtung erforderlich
Für die Beurteilung als einheitlichen Schenkungsvorgang ist es aber nicht zwingende Voraussetzung, dass die Zuwendung an die Mittelsperson unter einer Weitergabeverpflichtung erfolgt. Ergibt sich aus dem Gesamtbild der Verhältnisse und dem tatsächlichen Ablauf des Vorgangs, dass hier ein solcher einheitlicher Zuwendungswille der Beteiligten vorliegt, ist dies für einen einheitlichen Schenkungsvorgang ausreichend.
Ein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO liegt dann vor, wenn anzunehmen ist, dass der Schenker auf dem Umweg über den Beschenkten einen Dritten unmittelbar hat bedenken wollen. Der Schenker muss als Endzweck die Bereicherung des Dritten aus seinem Vermögen gewollt haben. Zur Annahme einer Kettenschenkung ist eine – den Beschenkten nicht bindende – Willensäußerung des Schenkers erforderlich, durch die der Beschenkte zur Weitergabe der Zuwendung (eines Teils der Zuwendung) an einen Dritten veranlasst wird. Bloßes Wissen, selbst Einverständnis des Schenkers damit, dass der Beschenkte seinerseits mit Mitteln der Schenkung eine Zuwendung ausführen wird, genügt nicht.