Leitsatz
In der vorliegenden Entscheidung hatte sich das FG des Landes Sachsen-Anhalt einmal mehr mit der Abgrenzungsproblematik Pkw/Lkw auseinanderzusetzen. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass für die Einstufung eines Fahrzeugs nach dem KraftStG die technische Einrichtung und das äußere Erscheinungsbild maßgeblich sind. Nicht entscheidend sind die Fahrzeugklassifikation durch den Hersteller und die Einstufung durch die Zulassungsbehörden.
Sachverhalt
Durch die beachtlichen Kfz-Steuersätze kommt der Abgrenzung Pkw / Lkw auch bei kleineren Autos eine Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere bei älteren Kraftfahrzeugen, bei denen die hohe Schadstoff- und Kohlendioxidemission berücksichtigt wird.
Im Streitfall begehrte der Halter eines VW Polo die Besteuerung nach den Sätzen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG - Einstufung als Lkw - nach dem zulässigen Gesamtgewicht. Er begründet sein Begehren mit dem Umstand, dass der Polo ab Werk ohne Rücksitze und hintere Sicherheitsgurte, sowie mit verblechten hinteren Seitenfenstern und halbhoher Trennwand hinter den Vordersitzen ausgestattet sei. Das Fahrzeug sei mithin eindeutig für (Güter) Transporte ausgelegt; im Übrigen sei auch eine nachträgliche Ausstattung mit Rücksitzen, hinteren Scheiben und Sicherheitsgurten nicht möglich.
Entscheidung
Der Senat stellt in der Begründung seiner Entscheidung zunächst klar, dass die Finanzverwaltung nach ständiger Rechtsprechung nicht an die verkehrsrechtliche Einstufung des Kfz durch die örtliche Zulassungsbehörde gebunden ist. Weiter führt er aus, auch der Fahrzeugklassifikation durch den Hersteller und der im Ergebnis darauf beruhenden Beurteilung durch das Kraftfahrt-Bundesamt komme keine kraftfahrzeugsteuerrechtliche Bindung zu. Diese auf die der ständigen Rechtsprechung folgenden BFH -Entscheidungen (BFH, Urteile v. 29.4.1997, VII R 1/97, BStBl 1997 II S. 627 und v. 8.2.2001, VII R 73/00, BStBl 2001 II S. 368) gestützte Darstellung entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. Strodthoff, Kommentar zur Kraftfahrzeugsteuer, Rz. 18 zu § 8 KraftStG).
Nach Klarstellung dieser "Geschäftsgrundlage" setzt sich das Gericht mit den Kriterien und dem Fahrzeug selber auseinander. Hierbei prüft der Senat anhand von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs und würdigt die objektive Beschaffenheit des Autos unter Berücksichtigung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit. Im Rahmen dieser Untersuchung geht die Entscheidung zunächst auf die Grundkonzeption des Fahrzeugs ein und stellt fest, dass der Polo von VW als Pkw konzipiert ist. Gegen die Einstufung als Lkw spricht aus Sicht des Gerichts auch das Erscheinungsbild des Fahrzeugs.
Auf die Argumente des Klägers eingehend stellt der Senat fest, dass sich die besondere Ausstattung - ohne Rückbank, hintere Gurte und hintere Seitenscheiben - nicht eignen, von einer Umwidmung des Polos zum Lkw auszugehen. Die nicht vorhandene Rückbank erhöht zwar die Transportkapazität dieses Fahrzeugs, führt aber nicht dazu, dass ein Transportvolumen entstünde, die über die eines üblichen Mittelklasse Pkw hinausgeht. Gleiches gilt auch für die Zuladung, die auch bei relativer Betrachtung des Polos mit einem Nutzlastanteil von unter 30 % kein Kriterium für die Einstufung als Lkw darstellt. Unter weiterer Würdigung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Polo auch durch die besondere Ausstattung ab Werk nicht zum Lkw geworden ist.
Hinweis
So schmerzlich die Entscheidung für den Halter sein mag, hier sachliche Kritik an dem lehrbuchwürdigen Urteil zu üben, wäre unredlich. In der Praxis werden zu Transportzwecken auch auf der Basis von Fahrzeugen wie VW Polo, Opel Corsa und Ford Fiesta konzipierte Fahrzeuge eingesetzt. Diese unterscheiden sich jedoch vom vorliegenden Auto durch einen besonderen Kastenaufbau hinter den Vordersitzen und regelmäßig auch durch verstärkte Achsen, Bereifung und Motoren. Die Hersteller machen dies durch Zusätze in der Modellbezeichnung, wie "Caddy", "Combo" oder "Courier" deutlich. Bei solchen Fahrzeugen wäre dann auch eine Einstufung als Lkw und Besteuerung nach zulässigem Gesamtgewicht angezeigt. Hier geben die dargestellten Kriterien "Kastenaufbau", verstärktes Fahrwerk und Motor neben fehlender Rücksitze, hinterer Sicherheitsgurte und Seitenscheiben dem Auto ein neues Gepräge, das eine Umwidmung zum Lkw rechtfertigt.
Link zur Entscheidung
FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.09.2007, 1 K 142/07