Voraussetzung für die Berücksichtigung als behindertes Kind ist, dass das Kind außerstande ist, für seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit oder aufgrund eigenen Vermögens zu sorgen.
Die Behinderung muss jedoch die unmittelbare Ursache dafür sein, dass sich das Kind nicht selbst unterhalten kann, also erwerbsunfähig ist. Die Voraussetzung der Ursächlichkeit ist nur erfüllt, wenn die Behinderung nach ihrer Art und nach ihrem Grad eine Erwerbstätigkeit ausschließt, die dem Kind die Deckung seines Lebensbedarfs ermöglicht. Dieses Tatbestandsmerkmal erfordert ggf. zu prüfen, ob eine Erwerbstätigkeit denkbar ist. Dies ist in den Fällen notwendig, in denen das Kind tatsächlich keine Erwerbstätigkeit ausübt. Ob das Kind wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist nach den Gesamtumständen des Einzelfalls zu beurteilen.
Das Asperger-Syndrom, eine Störung, die eine schwere und anhaltende Beeinträchtigung der sozialen Interaktion (Autismus) darstellt, ist eine Behinderung. Diese Behinderung ist auch in erheblichem Maße mitursächlich dafür, dass das Kind sich nicht selbst unterhalten kann.
Die Behinderung muss nicht die alleinige Ursache für die Unfähigkeit des Kindes sein, sich selbst zu unterhalten.
Die Finanzverwaltung vertritt zur Frage der Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes, sich selbst zu unterhalten, folgende Auffassung:
Grundsätze zur Feststellung, ob die Behinderung für die Erwerbsunfähigkeit ursächlich ist:
Die Behinderung als Ursache für die fehlende Fähigkeit des Kindes, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, ist anzunehmen, u. a. wenn
- im Ausweis nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenausweis) oder im Feststellungsbescheid des Versorgungsamts das Merkzeichen "H" (hilflos) eingetragen bzw. festgestellt ist oder
- das Kind als Schwerstpflegebedürftiger in die Pflegegrade 4 oder 5 (bis 31.12.2016: Pflegestufe III) i. S. d. Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI), des Bundessozialhilfegesetzes oder entsprechender Bestimmungen eingestuft ist oder
- das Kind in einer Werkstatt für Behinderte, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 SGB IX oder in einer Tagesförderstätte betreut wird oder
- das Kind vollstationär in einer Behinderteneinrichtung untergebracht ist oder
- das Kind das Regelrentenalter erreicht hat oder
- der GdB 50 oder mehr beträgt und das Kind für einen Beruf ausgebildet wird oder
- eine volle Erwerbsminderungsrente gegenüber dem Kind bewilligt ist oder eine dauerhaft volle Erwerbsminderung nach § 45 SGB XII festgestellt ist.
Die Einstufung als pflegebedürftige Person mit schwersten Beeinträchtigungen muss durch Vorlage des entsprechenden Bescheides nachgewiesen werden.
Bei einem zu 100 % schwerbehinderten (querschnittsgelähmten) Kind, das eine Berufsausbildung im Rahmen einer staatlich geförderten Berufsbildungsmaßnahme abgeschlossen hat und im Anschluss daran arbeitslos ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ursächlich für sein Außerstandesein, sich selbst zu unterhalten, die Behinderung und nicht die Lage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist.
Erwerbstätigkeit des Kindes:
Ein Anspruch auf Kindergeld ist nicht allein deshalb zu verneinen, weil das schwerbehinderte Kind einer – gering bezahlten – Erwerbstätigkeit nachgeht.
Das FG des Saarlandes hatte hierzu in einem anderen Streitfall bereits entschieden, auch bei einem Kind mit einem Grad der Behinderung von 50, das aus der Erwerbstätigkeit als Küchenhilfe nur geringe Einkünfte erzielt, sei die Behinderung für das Außerstandesein zum Selbstunterhalt in erheblichem Maße mitursächlich. Den Hinweis der Familienkasse zur Ablehnung des Kindergelds, das Kind sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig, hält das Gericht nicht zielführend. Die Tatsache, dass das Kind eine Beschäftigung ausübe, bedeute nicht den "Quasi-Wegfall" der Behinderung. Es seien vielmehr konkrete Feststellungen zu der Frage zu treffen, inwieweit die Behinderung die wesentliche Ursache für die nicht existenzsichernde Beschäftigung sei.
Ein volljähriges, behindertes Kind ist auch dann wegen der Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es Arbeitslosengeld II bezieht. Die Tatsache des Bezugs von Arbeitslosengeld II führe keineswegs zwangsläufig zu der Schlussfolgerung, dass die Bezieherin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbsfähig ist und ihren Lebensunterhalt somit selbst bestreiten kann.
Das FG Berlin-Brandenburg hielt die Mitursächlichkeit einer Behinderung von 25 % für ausreichend für die Annahme des behinderungsbedingten Außerstandeseins zum Selbstunterhalt des Kindes und bejahte den Kindergeldanspruch. Das Urteil wurde durch den BFH bestätigt.
Verfahren in Zweifelsfällen zur Feststellung der Ursächlichkeit:
Soweit die Ursächlichkeit nicht bereits anhand offensichtlicher Umstände anzunehmen ist, sind 2 alternative Verfahrensweisen möglich:
- Die Familienkasse holt eine Stellungnahm...