14.3.1 Überblick
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein volljähriges Kind, das die besonderen Voraussetzungen (Berufsausbildung, Übergangszeit, Wartezeit oder Freiwilligendienste) erfüllt, nur berücksichtigt, wenn es keine für den Kindergeldanspruch schädliche Erwerbstätigkeit ausübt.
Erwerbstätigkeit ist jede auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Tätigkeit. Daher ist jede nichtselbstständige und selbstständige Arbeit und die land- und forstwirtschaftliche und die gewerbliche Tätigkeit Erwerbstätigkeit i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Nicht als Erwerbstätigkeit anzusehen ist u. a. ein Au-pair-Verhältnis.
Anspruchsunschädlich ist
- eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit,
- ein Ausbildungsdienstverhältnis oder
- ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis.
Eine Erwerbstätigkeit, die das Kind im Rahmen eines geregelten Freiwilligendienstes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 d EStG ausübt, ist unschädlich für den Kindergeldanspruch.
14.3.2 Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bis zu 20 Stunden
Eine Erwerbstätigkeit des volljährigen Kindes mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von insgesamt nicht mehr als 20 Stunden ist für den Anspruch auf Kindergeld unschädlich. Bei der Feststellung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist grundsätzlich die individuell vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zugrunde zu legen (nichtselbstständige Arbeit). Es sind nur Zeiträume ab dem Folgemonat nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums einzubeziehen.
Bei den übrigen infrage kommenden Erwerbstätigkeiten, z. B. der selbstständigen Arbeit, der gewerblichen Tätigkeit des Kindes, gibt es keine individuell vereinbarte Arbeitszeit. Die Verwaltung äußert sich nicht, wie in diesen Fällen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit festzustellen ist. Nach meiner Auffassung ist daher im Zweifel eine schriftliche Erklärung des Kindes erforderlich, in der das Kind in nachvollziehbarer Weise den regelmäßigen wöchentlichen zeitlichen Umfang der Tätigkeit darlegt.
Maßgebend für die Beurteilung des zeitlichen Umfangs der wöchentlichen Tätigkeit ist dessen Regelmäßigkeit, d. h. der Durchschnitt der wöchentlichen Arbeitszeit.
Eine vorübergehende – höchstens 2 Monate dauernde – Ausweitung der Beschäftigung auf mehr als 20 Stunden ist unbeachtlich, wenn während des Zeitraums innerhalb des Kalenderjahres, in dem einer der 4 besonderen Berücksichtigungstatbestände (Berufsausbildung, Übergangszeit, Wartezeit oder Freiwilligendienste) vorliegt, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt. Der Zeitraum einer vorübergehenden Ausweitung des Umfangs der Beschäftigung ist taggenau zu berechnen.
Arbeit in den Semesterferien
Eva (22 Jahre) macht nach dem Abitur eine Berufsausbildung als Tierarzthelferin und schließt diese erfolgreich mit einer Prüfung ab. Ab Oktober 2022 studiert sie. Laut Arbeitsvertrag ist sie ab 1.4.2024 als Verkäuferin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. In den Semesterferien vereinbart sie in der Zeit vom 1.8. bis 30.9.2024 mit dem Arbeitgeber eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Zum 30.9. kündigt sie das Arbeitsverhältnis. Ab 1.11.2024 vereinbart sie beim selben Arbeitgeber eine Beschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden. Ist die Grenze von 20 wöchentlichen Regelarbeitsstunden überschritten?
Lösung:
Es ergeben sich folgende Arbeitszeiten pro voller Woche:
- vom 1.4. bis 31.7. (= 17 Wochen und 2 Tage): 20 Stunden pro Woche
- vom 1.8. bis 30.9. (= 8 Wochen und 4 Tage): 40 Stunden pro Woche (= Ausweitung der Beschäftigung)
- vom 1.11. bis 31.12. (= 9 Wochen ): 15 Stunden pro Woche
Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit:
(17 Wochen × 20 Std.) + (8 Wo. × 40 Std.) + (9 Wo. × 15 Std.) : 52 Wochen = 15,3 Wochenstunden
Eva befindet sich aufgrund des Studiums während des gesamten Jahres 2024 in Berufsausbildung. Sie besitzt jedoch bereits eine abgeschlossene erstmalige Berufsausbildung, daher ist die Prüfung erforderlich, ob die Erwerbstätigkeit eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden überschreitet.
Die Ausweitung der Arbeitszeit von 20 auf 40 Wochenstunden liegt an nicht mehr als 2 Monaten vor und ist daher vorübergehend. Die wöchentliche durchschnittliche Arbeitszeit beträgt 15,3 Stunden. Daher ist die Erwerbstätigkeit unschädlich. Es besteht Anspruch auf Kindergeld von Januar bis Dezember 2024.
Variante:
Eva ist in den Semesterferien vom 16.7. bis 25.9.2024, also mehr als 2 Monate, mit 40 Wochenstunden beschäftigt.
Lösung:
Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Jahr 2024 beträgt nach wie vor nicht mehr als 20 Stunden. Die Ausweitung der Arbeitszeit erfolgte jedoch in mehr als 2 Monaten und ist damit nicht mehr vorübergehend.
Der Anspruch auf Kindergeld für den Monat August 2024 fällt daher weg.
Führt eine vorübergehende, höchstens 2 Monate dau...