2.1 Grundsätze
Für Kinder i. S. d. § 63 EStG haben nur Personen Anspruch auf Kindergeld,
- die entweder im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
- oder die im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben,
jedoch nach § 1 Abs. 2 EStG der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen
oder
nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden (= fiktive unbeschränkte Steuerpflicht).
Nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, müssen die zusätzlichen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG erfüllen. Erteilt die Ausländerbehörde rückwirkend einen Aufenthaltstitel, der zum Anspruch auf Kindergeld berechtigt, so führt dies nicht zu einem rückwirkenden Kindergeldanspruch. Für den Anspruch ist vielmehr der Besitz eines solchen Aufenthaltstitels erforderlich. Dies setzt voraus, den Titel im maßgebenden Anspruchszeitraum tatsächlich in Händen zu halten.
Zu beachten ist, dass letztlich für den Anspruch auf Kindergeld 2 Grundvoraussetzungen erfüllt sein müssen, und zwar
- beim Elternteil die Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung nach § 62 EStG (deutsche Staatsangehörigkeit und Wohnsitz im Inland oder Ausländer mit Niederlassungserlaubnis bzw. Aufenthaltserlaubnis und Wohnsitz im Inland oder erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht oder fiktive unbeschränkte Steuerpflicht)
und
- beim Kind die Berücksichtigungsvoraussetzungen nach § 63 EStG (Kindschaftsverhältnis, Lebensalter unter 18 Jahre oder über 18 Jahre und Arbeitslosigkeit, Berufsausbildung usw.).
2.2 Identifizierung des Berechtigten
Ab 1.1.2016 hängt der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich davon ab, ob der Berechtigte durch die an ihn vergebene steuerliche Identifikations-Nummer (IdNr) identifiziert wird. Die Familienkassen können ihnen nicht vorliegende IdNrn ggf. über das ADI bzw. über das MAV oder durch Anfrage beim Berechtigten ermitteln. Die nachträgliche Vergabe der IdNr wirkt auf Monate zurück, in denen die sonstigen Voraussetzungen für den Kindergeldanspruch vorgelegen haben.
2.3 Wohnsitz
Der Begriff des Wohnsitzes ist in § 8 AO bestimmt.
Maßgebend sind hierbei allein die tatsächlichen Verhältnisse. Die bloße Absicht, einen Wohnsitz zu begründen oder aufzugeben bzw. die An- oder Abmeldung bei der Ordnungsbehörde führt nicht zur Begründung eines Wohnsitzes. Im Regelfall geht die Finanzverwaltung allerdings davon aus, dass die An- bzw. Abmeldung bei der Ordnungsbehörde als Indizien für den Wohnsitz bzw. dessen Aufgabe angesehen werden kann.
Der Anspruchsberechtigte muss die Wohnung innehaben, d. h., er muss tatsächlich über sie verfügen können und sie nicht nur vorübergehend benutzen. Der Wohnsitz i. S. v. § 8 AO wird durch die Wohnung begründet, wenn der anspruchsberechtigte Elternteil diese Wohnung von vornherein in der Absicht nimmt, sie mindestens 6 Monate beizubehalten und zu nutzen. Der Mindestzeitraum von 6 Monaten muss nicht in einem Kalenderjahr erfüllt sein, er kann sich auch über den Jahreswechsel erstrecken. Die von vornherein bestehende Absicht, die Wohnung weniger als 6 Monate beizubehalten und zu nutzen, erfüllt nicht den Wohnsitzbegriff.
Den Wohnsitz im Inland verneinte der BFH bei einer Ehefrau und Mutter, die mit ihrer Familie im Ausland wohnt und daneben in der Wohnung ihrer Eltern im Inland ein Zimmer hat, das sie gelegentlich benutzt.
Bei zeitlich befristeter Entsendung ins Ausland ist von der Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes auch dann auszugehen, wenn dieser über die Dauer der beruflichen Entsendung beibehalten werden soll und nach objektiven Maßstäben jederzeit durch die Familie zu Wohnzwecken genutzt werden kann.
Wurde der Kindergeldbezieher von seinem Arbeitgeber von Deutschland in die USA entsandt und lebt er dort mit seiner Ehefrau und seinem Kind in angemieteten Wohnungen, kann die Familienkasse mangels inländischen Wohnsitzes das Kindergeld zurückfordern. Das gilt insbesondere, wenn unklar bleibt, in welchem Umfang die Wohnung in Deutschland tatsächlich genutzt wurde. Die Wohnung war während der Auslandseinsätze nicht vermietet und wurde schließlich verkauft.
Einem inländischen Wohnsitz steht nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige im Ausland einen Familienwohnsitz unterhält, wo sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befindet.
Der ESt-Bescheid ist hinsichtlich des inländischen Wohnsitzes für die Kindergeldfestsetzung nicht bindend.
Bei Bestehen eines inländischen Wohnsitzes ergibt sich ein Kindergeldanspruch auch dann, wenn der Antragsteller vom Finanzamt als nach § 1 Abs. 3 EStG unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wurde.
Ein Elternteil, der dauernd und langfristig mit seiner Familie im Ausland wohnt und sich nur...