21.1.1 Grundsätze
Die Vorschrift des § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG regelt die Aufhebung bzw. Änderung von Kindergeld-Festsetzungen
- außerhalb des Einspruchsverfahrens und
- neben den Korrekturvorschriften der AO.
Für die Anwendung der Vorschrift ist es daher unerheblich, ob der aufzuhebende oder zu ändernde Bescheid bestandskräftig geworden ist.
§ 70 Abs. 2 Satz 1 EStG kann zu einer rückwirkenden Aufhebung bzw. Änderung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an führen. Möglich ist zudem eine Aufhebung oder Änderung der betragsmäßigen Kindergeldfestsetzung für die Zukunft.
Eine Kindergeld-Festsetzung ist ein zeitlich teilbarer Verwaltungsakt. Die Familienkasse ist daher befugt, eine unrichtige oder unrichtig gewordene Kindergeld-Festsetzung in der Weise zu ändern, dass sie für verschiedene Zeitabschnitte gesonderte Änderungsbescheide erlässt.
21.1.2 Voraussetzungen
Die Aufhebung oder Änderung nach § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG setzt voraus, dass sich die persönlichen Verhältnisse, also die tatsächlichen oder die rechtlichen Lebensumstände des Anspruchsberechtigten oder des Kindes nachträglich zugunsten oder zuungunsten des Berechtigten geändert haben.
Es müssen sich die Verhältnisse, die im Zeitpunkt der Festsetzung vorlagen, geändert haben. Der Haushaltswechsel des Kindes zählt zu den Verhältnissen i. S. v. § 70 Abs. 2 EStG, die die rückwirkende Aufhebung bzw. Änderung rechtfertigen.
Ist die Kindergeld-Festsetzung zunächst rechtmäßig und wird sie nachträglich unrichtig, weil die Anspruchsvoraussetzungen im Nachhinein entfallen sind (Änderung der Verhältnisse), ist die Festsetzung ab dem Folgemonat der Änderung, also ggf. rückwirkend aufzuheben.
§ 70 Abs. 2 Satz 1 EStG ist nicht anzuwenden, wenn sich die den Kindergeldberechtigten oder sein Kind betreffenden Verhältnisse nicht geändert haben und nachträglich festgestellt wird, dass das Recht von Anfang an fehlerhaft angewandt wurde. In diesem Fall sind die Korrekturvorschriften der §§ 172ff. AO und § 70 Abs. 3 EStG anzuwenden.
Vollendet das Kind das 25. Lebensjahr und erreicht damit die den Kindergeldanspruch ausschließende Altersgrenze, stellt dies eine die Aufhebung der Kindergeld-Festsetzung rechtfertigende Änderung der Verhältnisse dar.
Keine Änderung der Verhältnisse i. S. d. § 70 Abs. 2 EStG liegt vor, wenn die Familienkasse erst nachträglich eine Kenntnis der Verhältnisse erlangt.
Eine Änderung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld stellt keine Änderung der Verhältnisse i. S. v. § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG dar. Die rückwirkende Aufhebung einer Kindergeld-Festsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG setzt nicht voraus, dass der Kindergeldberechtigte seine Mitwirkungspflicht verletzt hat.