Leitsatz
Bei der Berechnung des Grenzbetrags sind auch ohne gesonderten Nachweis Kontoführungsgebühren sowie die Kosten für die Reinigung spezieller Berufskleidung als beruflich bedingte Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte des Kindes aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen.
Sachverhalt
Die im Jahr 1986 geborene Tochter der Klägerin befand sich in der Zeit von Januar bis September 2007 in Ausbildung zur Krankenpflegerin. Die Familienkasse lehnte den Antrag auf Gewährung von Kindergeld wegen Überschreitens des Grenzbetrags nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren trägt die Mutter im Klageverfahren vor, dass Reinigungskosten für spezielle Berufskleidung sowie Kontoführungsgebühren nach der Lebenserfahrung auch ohne Vorlage von Belegen als Werbungskosten zu berücksichtigen seien, und dass danach die Einkünfte und Bezüge der Tochter den Grenzbetrag nicht überschritten.
Entscheidung
Unter Hinweis auf das Urteil des BFH v. 23.11.2001 (VI R 125/00, BStBl 2002 II S. 296) führt das FG aus, dass die Familienkasse die Höhe der Einkünfte des Kindes selbstständig und ohne Bindung an den Inhalt des für das Kind ergangenen Einkommensteuerbescheids zu ermitteln hat. Für das FG ist jedoch kein Grund erkennbar, dass die Familienkasse im Falle fehlender Nachweise Schätzungen von Werbungskosten jedenfalls im Kleinbetragsbereich vornehmen kann, wenn nach der Lebenserfahrung entsprechende Kosten angefallen sind.
Nach Auffassung des FG scheint es erforderlich, dass sich die Familienkassen nicht generell der Anwendung der im Steuerbereich praktizierten Vereinfachungsregelungen verschließen - trotz der Tragweite der Ermittlung des Grenzbetrags, bei dessen Überschreitung die Kindergeldzahlung verweigert und bei dessen Unterschreitung Kindergeld bewilligt wird (sog. Fallbeil-Effekt). Letztlich verstößt eine solche Praxis gegen die Vorschrift des § 162 Abs. 2 Satz 1 AO, wonach eine Schätzung geboten ist, wenn der Steuerpflichtige geltend gemachte Aufwendungen nicht nachweisen kann
Hinweis
Mit dem rechtskräftigen Urteil hat das FG 12 EUR Kontoführungsgebühren, 18 EUR für Fachliteratur und mtl. 13 EUR für Reinigung der typischen Berufskleidung anerkannt. Da das BVerfG mit Beschluss v. 27.7.2010 (2 BvR 2122/09) den sog. "Fallbeileffekt" beim Kindergeld für verfassungsgemäß erklärt hat, werden die Familienkassen in nächster Zeit die wegen dieser Frage ruhenden Einsprüche erledigen müssen. Um einer Zurückweisung der Einsprüche durch Allgemeinverfügung wirksam zu begegnen, können in diesen Fällen unter Hinweis auf das vorstehende Urteil weitere Werbungskosten glaubhaft gemacht und damit evtl. ein Unterschreiten des Grenzbetrags erreicht werden.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 20.04.2010, 2 K 1179/09