Leitsatz
Ist ein in der erstmaligen Berufsausbildung befindliches, volljähriges Kind verheiratet, so besteht ein Kindergeldanspruch für dieses Kind. Dieser besteht ab 2012 unabhängig von dessen eigenen Einkünften und von einer typischen Unterhaltssituation ggü. dem Ehegatten.
Sachverhalt
Die Familienkasse (FK) gewährte der Klägerin zunächst Kindergeld für ihre Tochter, die sich in einem Studium befand. Die FK hob die Kindergeldfestsetzung im Februar 2011 auf, weil sich das Einkommen des Ehemannes der Tochter erhöht habe. Ab Januar 2012 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld für ihre Tochter. Diesen Antrag lehnte die FK mit der Begründung ab, dass bei einem verheirateten Kind nicht mehr die Eltern, sondern der Ehegatte zum Unterhalt verpflichtet sei, und ein sog. Mangelfall nicht nachgewiesen sei. Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, dass der Ehegatte ihrer Tochter aufgrund zu geringer Einkünfte nicht zum Unterhalt verpflichtet sei und dass ab 2012 für volljährige Kinder in einem Ausbildungsverhältnis keine Einkommensprüfung mehr vorzunehmen sei.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG ist die Klage begründet und der Klägerin ist Kindergeld auch ab 1.1.2012 zu gewähren. Die Höhe der Ausbildungsvergütung der Tochter ist für den Kindergeldanspruch nicht maßgeblich, da die in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31.12.2011 gültigen Fassung (EStG a. F.) enthaltene Regelung zum 1.1.2012 entfallen ist. Das Gleiche gilt für den Unterhaltsanspruch der Tochter gegen ihren Ehemann nach §§ 1608 Satz 1, 1360, 1360a BGB, der bis 2011 zu den maßgeblichen Einkünften und Bezügen gehörte. Die Einkünfte des Ehemannes der Tochter sind für den Kindergeldanspruch der Klägerin ebenfalls nicht von Bedeutung. Ob ein sog. "Mangelfall" vorliegt, ist unerheblich, weil der Umstand, dass die Tochter verheiratet ist, dem Anspruch auf Kindergeld nicht entgegensteht. Für verheiratete Kinder sieht das Gesetz keine Einschränkungen vor. Der Kindergeldanspruch setzt entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH keine "typische Unterhaltssituation" voraus.
Hinweis
Obwohl das FG die Revision zugelassen hat, wurde diese nicht eingelegt mit der Folge, dass das Urteil rechtskräftig geworden ist. Es bleibt abzuwarten, ob das für Kindergeldfragen zuständige BZST die Anweisungen in der DA-FamEStG entsprechend der vorstehenden Entscheidung ändert. Wenn die FK in vergleichbaren Fällen weiter nach DA 31.2.2 FamEStG verfahren, sollten die Betroffenen unter Hinweis auf das rechtskräftige Urteil des FG Münster gegen den ablehnenden Bescheid der FK Einspruch einlegen, und die Gewährung des Kindergeldes beantragen.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 30.11.2012, 4 K 1569/12 Kg