Leitsatz
Kindergeld kann seit Januar 2012 auch für verheiratete Kinder gewährt werden. Seit Januar 2012 kommt es auf die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kinds nicht mehr an, sodass der sog. Mangelfallrechtsprechung die Grundlage entzogen ist (gegen DA-FamEStG 2013 Abschn. 31.2.2).
Sachverhalt
Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergelds zu Gunsten der Klägerin für das in Ausbildung befindliche Kind gem. § 70 Abs. 2 EStG ab August 2012 auf, und begründete dies damit, dass das Kind verheiratet sei. Ab dem Folgemonat der Heirat bestehe kein Anspruch mehr auf Kindergeld, weil ab diesem Zeitpunkt nicht mehr die Eltern des Kinds, sondern dessen Ehegatte zum Unterhalt verpflichtet seien. Das Kind könne sich unter Berücksichtigung des Unterhaltsbeitrags des Ehegatten selbst unterhalten, sodass ein Kindergeldanspruch ab dem Folgemonat der Heirat nicht mehr in Betracht komme. In ihrer Klage führt die Klägerin aus, der frühere Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a. F. sei ab dem Jahr 2012 entfallen, und der Kindergeldanspruch setze keine "typische Unterhaltssituation" mehr voraus.
Entscheidung
Das FG schließt sich der Rechtsauffassung des BFH im Urteil v. 17.7.2010 (III R 34/09, BFHE 230 S. 61, BStBl 2010 II S. 982) an, wonach das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "typischen Unterhaltssituation" aufgegeben wurde. Der BFH ist damit von einer teleologischen zu einer am Wortlaut und der Systematik des § 32 Abs. 4 EStG orientierten Auslegung übergegangen. Die Verheiratung eines Kinds kann dessen Berücksichtigung bei der Kindergeldfestsetzung seit Januar 2012 nicht mehr ausschließen, sodass der sog. Mangelfallrechtsprechung die Grundlage entzogen ist. Da danach die Voraussetzungen für eine Festsetzung von Kindergeld zugunsten der Klägerin im Streitzeitraum vorlagen, durfte die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld nicht gem. § 70 Abs. 2 EStG aufheben.
Hinweis
Die vom FG zugelassene Revision wurde von der Familienkasse vermutlich deswegen nicht eingelegt, da der BFH inzwischen mit Urteil v. 17.10.2013 (III R 22/13) entschieden hat, dass der Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges, in Ausbildung befindliches Kind nicht deshalb entfällt, weil das Kind verheiratet ist. In der Vergangenheit haben inzwischen zahlreiche FG zugunsten der Kindergeldberechtigten entschieden. Beispielhaft wird auf folgende Entscheidungen verwiesen, bei denen in allen Fällen die Revisionen anhängig sind: FG Schleswig Holstein, Urteil v. 25.7.2013, 1 K 16/13, Az beim BFH: VI R 60/13; Niedersächsisches FG, Urteil v. 22.8.2013, 6 K 187/13, Az beim BFH: XI R 39/13; FG München, Urteil v. 20.2.2013, 9 K 3405/12; Az beim BFH: III R 33/13.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 29.01.2014, 13 K 2658/13 Kg