Leitsatz
Bei der Ermittlung, ob der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten ist, sind die Einkünfte der Vollzeiterwerbstätigkeit für die übrige Zeit des Kalenderjahres, in dem die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG vorliegen, auszuscheiden.
Sachverhalt
Der im Jahr 1985 geborene und damit im Streitzeitraum 22 Jahre alte Sohn der Klägerin beendete mit Ablauf des 21.6.2007 seine Ausbildung als Bankkaufmann. Daran anschließend wurde er in ein Vollzeitarbeitsverhältnis übernommen. Ausbildungs- und berufsbegleitend studiert der Sohn seit dem 1.9.2005 mit dem Ausbildungsziel Diplom-Kaufmann. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für den Sohn ab Januar 2007 auf, da das Einkommen des Sohnes im Jahr 2007 voraussichtlich den maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680 EUR überschreite. Damit sei der Kindergeldanspruch ausgeschlossen. Im Klageverfahren vertritt die Klägerin die Auffassung, dass im Streitfall der maßgebliche Zeitraum für die Gewährung des Kindergeldes mit Ablegung der Prüfung zum Bankkaufmann am 21.6.2007 endete und dass jedenfalls für diesen Zeitraum der anteilige Jahresgrenzbetrag nicht überschritten sei.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG steht der Klägerin Kindergeld für die Monate Januar bis Juni 2007 zu. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der von dem BFH im Urteil vom 16.11.2006 (Az: III R 15/06, BStBl 2008 II S. 56) aufgestellten Grundsätze, wonach entgegen der bisherigen Rechtsprechung die Tatbestände des § 32 Abs. 4 Nr. 2a bis c EStG auch in den Monaten einer Vollzeiterwerbstätigkeit erfüllt sein können. Durch die Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG soll erreicht werden, dass Eltern solange durch die Gewährung von Kindergeld entlastet werden, als das Kind einen Tatbestand i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG erfüllt und in diesem Zeitraum keine eigenen Einkünfte und Bezüge in Höhe seines Existenzminimums hat. Diesem Regelungszweck würde es widersprechen, wenn ein über die eigentliche Ausbildungszeit hinaus fortgeführtes, nebenberufliches Studium den Kindergeldanspruch auch für Zeiträume entfallen lässt, in denen eine typische Unterhaltssituation der Eltern gegeben war. Denn bezogen auf den Zeitraum Januar bis Juni 2007 war die Klägerin mit Unterhaltszahlungen belastet.
Hinweis
Im Revisionsverfahren III R 62/08 muss der BFH nun prüfen, ob die Auffassung des FG zutrifft, oder ob er die Auffassung der Verwaltung (BZSt-Vfg. vom 4. 7. 2008) teilt, wonach lediglich darauf abzustellen ist, ob im Berücksichtigungszeitraum die Einkünfte und Bezüge den Grenzbetrag übersteigen. Betroffene sollten daher in vergleichbaren Fällen Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 20.05.2008, 1 K 4311/07 Kg