Leitsatz
Deutsche Staatsangehörige, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben und Arbeitslohn für die Beschäftigung in einer im Drittland (hier: Dominikanische Republik) liegenden Deutschen Botschaft vom Auswärtigen Amt beziehen, haben keinen Anspruch auf inländisches Kindergeld für ihre in ihrem Haushalt lebenden Kinder, wenn sie als sog. Ortskräfte ständig im Ausland ansässig sind und dort der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen.
Normenkette
§ 63 Abs. 1, § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 1 Abs. 2 EStG, Art. 37 WÜD
Sachverhalt
Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und Mutter zweier in ihrem Haushalt lebender Kinder. Sie war im Zeitraum 2003 bis 2009 als sog. Ortskraft bei der Deutschen Botschaft in der Dominikanischen Republik beschäftigt. Ihre Dienstbezüge wurden von der Besoldungsstelle des Auswärtigen Amtes auf ihr in der Bundesrepublik Deutschland geführtes Bankkonto überwiesen, wobei Lohnsteuer an ein deutsches Finanzamt und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden. Die Familienkasse lehnte den im Mai 2007 gestellten Antrag auf Kindergeld mit der Begründung ab, die Kinder hätten Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt weder innerhalb der Europäischen Union noch in einem Staat gehabt, für den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum gelte. Die Klägerin sei auch nicht nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig. Die Klage auf rückwirkende Gewährung von Kindergeld ab Juni 2003 hatte teilweise Erfolg, da die Klägerin die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 EStG erfüllt habe, wie sich aus der in der Dominikanischen Republik geltenden Steuerfreiheit für Botschaftstätigkeiten ergebe (FG Köln, Urteil vom 22.2.2011, 1 K 3560/08, Haufe-Index 2707558, EFG 2011, 1984).
Entscheidung
Auf die Revision der Familienkasse hob der BFH das Urteil des FG auf und wies die Sache an das FG zurück. Die Steuerbefreiung in der Dominikanischen Republik für Botschaftstätigkeiten schließe eine unbeschränkte Steuerpflicht nicht aus. Das FG habe daher im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die Klägerin in der Dominikanischen Republik aufgrund einer Ansässigkeit bereits vor Aufnahme der Botschaftstätigkeit unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei.
Hinweis
1. Für Kinder, die weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet (sog. Drittlandskinder), besteht der Anspruch auf Kindergeld gem. § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG nur, wenn die Kinder im Haushalt eines Berechtigten nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG leben. Voraussetzung für den Kindergeldanspruch ist dabei, dass der anspruchsberechtigte Elternteil nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig ist. Eine unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG reicht demgegenüber nicht.
2. Erweitert unbeschränkt steuerpflichtig sind gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG deutsche Staatsangehörige, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben und zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen. Hierfür reicht es aus, dass der deutsche Staatsangehörige als Angehöriger einer Deutschen Botschaft vom Auswärtigen Amt Arbeitslohn bezieht. § 1 Abs. 2 EStG stellt nur auf den Bezug von Arbeitslohn aus öffentlichen Kassen ab. Gegen eine weitergehende Unterscheidung nach der Position innerhalb einer Botschaft spricht, dass die Steuerbefreiung der Diplomaten nach Art. 34 WÜD auch für das Verwaltungs- und technische Personal der Botschaft gilt.
3. Der Kindergeldanspruch setzt gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 3, § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG weiter voraus, dass die Person in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen wird.
a) Durch diese Einschränkung soll verhindert werden, dass ein Steuerpflichtiger sowohl im Wohnsitzstaat als auch in Deutschland die persönlichen Vergünstigungen erfährt, die die unbeschränkte Steuerpflicht mit sich bringt.
b) Das Fehlen einer unbeschränkten Steuerpflicht im Ausland ergibt sich nicht aus einer sachlichen Steuerbefreiung für Botschaftstätigkeiten, da der Bezug steuerfreier Einkünfte eine unbeschränkte Steuerpflicht nicht ausschließt.
c) Bei der Entscheidung über die unbeschränkte Steuerpflicht im Ausland ist zu berücksichtigen, dass nach der völkerrechtlich bindenden Regelung in Art. 34 und 37 WÜD die Steuerbefreiung für die Mitglieder des verwaltungs- und technischen Personals einer Mission und der zu ihrem Haushalt gehörenden Familienmitglieder nicht gilt, wenn der Botschaftsangehörige auch Angehöriger des Empfangsstaates ist oder in demselben ständig ansässig ist. Maßgebend ist deshalb der Aufenthaltsgrund und damit der Umstand, ob der Wohnsitz ausschließlich w...