Leitsatz
Eltern, deren verheiratetes, volljähriges Kind noch in der Ausbildung ist und von seinem Ehegatten getrennt lebt, haben Anspruch auf Kindergeld, wenn der Ehegatte des Kindes keinen Trennungs- unterhalt zahlt, obwohl das Amtsgericht dem Kind Trennungsunterhalt zugesprochen hatte.
Sachverhalt
Die im Jahr 1982 geborene und seit dem Jahr 2001 verheiratete Tochter des Klägers befand sich bis zum 14.9.2003 in Ausbildung. Sie lebte seit August 2002 getrennt von ihrem Ehemann und die Ehe wurde im Jahr 2005 geschieden. Der Verpflichtung zur Zahlung von Trennungsunterhalt kam der Ehemann der Tochter zunächst nicht nach, leistete jedoch im Jahr 2005 zur Abgeltung aller Ansprüche ein Einmalzahlung in Höhe von 4.500 EUR. Nach dem der Familienkasse bekannt wurde, dass die Tochter des Klägers geheiratet hatte und inzwischen geschieden war, setzte sie bei der Ermittlung der Bezüge der Tochter den dieser zugesprochenen Trennungsunterhalt als Bezüge der Tochter an. Da unter Berücksichtigung des Trennungsunterhalts der Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG für das Jahr 2003 überschritten war, hat die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2003 aufgehoben. Im Klageverfahren vertritt der Kläger die Auffassung, dass der Anspruch auf Trennungsunterhalt wegen der fehlenden Zahlung im Jahr 2003 nicht bei der Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge angesetzt werden dürfe.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG steht dem Kläger Kindergeld für Januar bis September 2003 zu. Entgegen der Auffassung der Familienkasse sind die Unterhaltsansprüche, die der Tochter des Klägers für die Monate Januar bis September 2003 gegenüber ihrem früheren Ehemann zugestanden haben, nicht als Bezüge zu erfassen, da es an einem entsprechenden Zufluss fehlt. Das FG ist der Auffassung, dass die Verwaltungsanweisung in DA 63.4.2.5 Abs. 6 DA-FamEStG insofern keine zutreffende Gesetzesauslegung darstellt, als der Berechtigte in jedem Fall auf die "Realisierung" des dem Kind zustehenden Unterhaltsanspruchs verwiesen werden soll. Es ist vielmehr der Meinung, dass im Falle eines verheirateten, aber getrennt lebenden Kindes der Frage nachzugehen ist, ob die "Realisierung" des Unterhaltsanspruchs dem Kind während des maßgeblichen Zeitraums möglich gewesen wäre. Kann das Kind den Anspruch nicht durchsetzen, ist von einem sog. Mangelfall im Sinne der bisherigen BFH-Rechtsprechung (BFH, Urteil v. 19.4.2007, III R 65/05) auszugehen, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes einschließlich der tatsächlichen "Unterhaltsleistungen" des Ehepartners den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht überschreiten. Diese Auslegung entspricht sowohl dem Wortlaut als auch der gesetzlichen Systematik, wonach nur die Einkünfte und Bezüge angesetzt werden können, die das Kind tatsächlich hat.
Hinweis
Da gegen das vorstehende Urteil Revision eingelegt wurde (Az. beim BFH: III R 8/08), sollten Betroffene in vergleichbaren Fällen Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens verweisen.
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil vom 11.12.2007, 3 K 3174/05