Leitsatz
Nach dem Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enthält das EStG für den Kindergeldanspruch ab 2012 neben den grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG keine weiteren Voraussetzungen mehr, insbesondere sind keine Grenzbeträge hinsichtlich eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes mehr einzuhalten und es kommt nicht mehr auf eine "typische Unterhaltssituation" an.
Sachverhalt
Der Kläger beantragte für seine Tochter Kindergeld. Diesen Antrag lehnte die Familienkasse (FK) mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG nicht erfüllt seien und dass nicht geprüft werden könne, ob nicht mehr die Eltern des Kindes, sondern der Vater des Enkelkindes nach § 1615 I BGB zum Unterhalt verpflichtet sei.
Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld vorliegen würden. Insbesondere habe die Tochter gegenüber dem Kindeskindsvater keinen Anspruch auf Unterhaltsleistungen nach § 1615 I BGB und sei er, der Kläger, als Elternteil weiterhin zum Unterhalt verpflichtet. Nach der Gesetzesänderung seit dem 1.1.2012 sei das erzielte Nettoeinkommen der Tochter nicht mehr zu berücksichtigen.
Entscheidung
Neben den grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG für den Bezug von Kindergeld enthält das EStG keine weiteren Voraussetzungen, insbesondere sind keine Grenzbeträge hinsichtlich eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes mehr einzuhalten. Gleiches gilt für einen möglichen Unterhaltsanspruch der Tochter gegen den Vater ihres Kindes nach §§ 1615 I BGB. Die Einkünfte des Kindeskindsvaters sind für den Kindergeldanspruch des Klägers nicht von Bedeutung. Ob ein so genannter "Mangelfall" vorliegt, ist unerheblich, weil der Umstand, dass die Tochter ein eigenes Kind hat, dem Kindergeldanspruch nicht entgegensteht. Für Kinder mit eigenen Kindern sieht das Gesetz keinerlei Einschränkungen vor. Der Kindergeldanspruch setzt entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH keine "typische Unterhaltssituation" voraus.
Hinweis
Die vom FG zugelassene Revision wurde von der FK eingelegt und wird beim BFH unter dem Az III R 46/13 geführt. Da die FK an die Anweisungen in der DAFamEStG gebunden sind, werden sie in vergleichbaren Fällen die Gewährung des Kindergeldes ablehnen. Betroffene sollten daher bei gleich gelagerten Sachverhalten gegen die Ablehnungsbescheide Einspruch einlegen und unter Hinweis auf das vorstehend genannte Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragen. Inzwischen haben zahlreiche FG zu Gunsten der Kindergeldberechtigten entschieden. Beispielhaft wird auf folgende Entscheidungen verwiesen, bei denen in allen Fällen die Revisionen anhängig sind: FG Schleswig Holstein, Urteil v. 25.7.2013, 1 K 16/13, Az beim BFH VI R 60/13; Niedersächsisches FG, Urteil v. 22.8.2013, 6 K 187/13, Az beim BFH XI R 39/13; FG München, Urteil v. 20.2.2013, 9 K 3405/12; Az beim BFH III R 33/13. Der III., VI. und auch der XI. Senat des BFH haben nun in den vorstehenden Verfahren die Frage zu prüfen, ob nach dem Wegfall der Prüfung eigener Einkünfte und Bezüge ab dem 1.1.2012 das seitens des BFH aufgestellte Erfordernis einer typischen Unterhaltssituation für den Anspruch auf Kindergeld für verheiratete volljährige Kinder entfallen ist.
Link zur Entscheidung
FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10.09.2013, 4 K 951/12