Leitsatz
Ein Elternteil, der in Deutschland nichtselbständig, sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, ist für seine studierende, noch nicht 25jährige Tochter, die bei dem geschiedenen anderen, nicht berufstätigen Elternteil lebt und für die keine polnischen, dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen bezogen werden, kindergeldberechtigt.
Sachverhalt
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und lebt in Deutschland. Seine am 25.5.1990 geborene Tochter lebt und studiert in Polen bei der Kindesmutter, von der der Kläger geschieden ist. Die Kindesmutter, die nicht erwerbstätig ist, bezog für die Tochter bis August 2009 dem inländischen Kindergeld vergleichbare polnische Familienleistungen. Der Kläger war und ist in Deutschland nichtselbständig, sozialversicherungspflichtig beschäftigt und bezog Differenzkindergeld. Nach Wegfall der polnischen Familienleistungen beantragte der Kläger die Festsetzung des inländischen Kindergeldes welches die Familienkasse (FK) mit der Begründung, die Tochter lebe bei der Kindesmutter in Polen, ablehnte. Mit seiner Klage beansprucht der Kläger weiterhin die Festsetzung inländischen Kindergeldes. Die Kindesmutter beziehe für die Tochter in Polen keine Familienleistungen mehr. Den Unterhalt für die Tochter bestreite ausschließlich er, der Kläger.
Entscheidung
Das FG hat entschieden, dass der Kläger ab Mai 2011 einen Anspruch auf inländisches Kindergeld für seine in Polen lebende Tochter hat, weil diese sich in Polen in Berufsausbildung befindet und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der Wohnsitz in Polen ist nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG unschädlich, weil der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Entgegen der Auffassung der FK ist der inländische Kindergeldanspruch des Klägers nicht nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeschlossen. Zwar trifft es zu, dass die Tochter nicht im Haushalt des Klägers, sondern in dem der Kindesmutter in Polen lebt. Allerdings findet die Vorschrift keine Anwendung, wenn keine inländische Kindergeld-Konkurrenzsituation mehrerer Berechtigter besteht So verhält es sich im Streitfall, da die Kindesmutter während des Streitzeitraums keinen inländischen Kindergeldanspruch hat.
Hinweis
Die FK hat gegen das Urteil Revision eingelegt, welche beim BFH unter dem Az. III R 42/12 geführt wird. In diesem Verfahren muss der BFH die Frage klären, ob ein polnischer Vater mit Wohnsitz in Deutschland für sein in Polen im Haushalt der Mutter lebendes Kind Anspruch auf Kindergeld hat, oder ob die Kindesmutter gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG i. V. m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der EG-VO Nr. 987/2009 vorrangig kindergeldberechtigt ist.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 26.07.2012, 4 K 3940/11 Kg