Dipl.-Finanzwirt Wilfried Martis
Leitsatz
Die Zurechnung der steuerfreien Halbeinkünfte für die Festsetzung der Kirchensteuer entspricht der steuerlichen Leistungsfähigkeit und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Sachverhalt
Die Kirchensteuergesetze der Bundesländer verweisen bei der Berechnung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer auf § 51a EStG in seiner jeweiligen Fassung. Danach knüpft die Berechnung der Kirchensteuer nicht an die festzusetzende Einkommensteuer sondern an eine nach Maßgabe von § 51a EStG modifizierte Einkommensteuer an. Zu deren Ermittlung ist das zu versteuernde Einkommen um die nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Beträge zu erhöhen und um die nach § 3c Abs. 2 EStG nicht abziehbaren Beträge zu mindern. Durch Anwendung von § 51a EStG ergab sich im Streitfall eine festzusetzende Kirchensteuer, obwohl die Einkommensteuerfestsetzung aufgrund eines Verlustvortrags zu einem negativen zu versteuernden Einkommen und zu einer Einkommensteuer von 0 EUR führte. Die Kirchensteuer war somit höher als die Einkommensteuer.
Entscheidung
Die Kirchensteuerfestsetzung entspricht dem Wortlaut der in § 51a Abs. 2 EStG für Zuschlagsteuern getroffenen Regelung. Eine von § 51a Abs. 2 abweichende Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer ist auch dann nicht geboten, wenn ein Verlustverrechnungspotential für die Kirchensteuer verloren zu gehen droht. Auch Art. 3 Abs. 1 GG zwingt nicht zu einer vom Wortlaut abweichenden Auslegung des § 51a EStG. Es ist konsequent, wenn der Gesetzgeber in § 51 a EStG das Halbeinkünfteverfahren für Zuschlagsteuern, insbesondere für die Kirchensteuern, rückgängig macht. Damit wird berücksichtigt, dass die in § 3 Nr. 40 EStG geregelte hälftige Steuerbefreiung der dort privilegierten Einnahmen in deren Vorbelastung im Rahmen der Einkommensbesteuerung der Kapitalgesellschaft begründet ist. Eine Vorbelastung mit Kirchensteuer findet jedoch bei der Kapitalgesellschaft nicht statt. Die Regelung widerspricht auch nicht der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, da die Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers beim Zufluss einer Gewinnausschüttung nicht nur in der Hälfte des zufließenden Betrags, sondern in dessen voller Höhe beeinflusst wird.
Hinweis
Das Finanzgericht hat die wortgetreue Anwendung des § 51a EStG bestätigt, auch wenn dies im Einzelfall bei einer Einkommensteuer von 0 EUR zu einer höheren Kirchensteuerfestsetzung führt. Es hat auch festgestellt, dass ein bei der Einkommensteuer verbleibender Verlustvortrag in diesen Fällen für die Kirchensteuerfestsetzung ungenutzt bleibt, wenn diese die Einkommensteuerfestsetzung übersteigt. Die Frage, ob § 51a EStG eine einschränkende oder eine modifizierende Auslegung für die Fälle erfahren muss, in denen eine Berücksichtigung eines Verlustvortrags über den für Zwecke der Einkommensteuer benötigten Umfang hinaus zu einer niedrigeren Kirchensteuer führen würde, ist vom BFH in einem Revisionsverfahren zu prüfen.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid vom 22.07.2008, 3 K 148/05