Leitsatz
1. Die gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung und auf Weitergewährung des Kindergeldes gerichtete Klage ist eine Anfechtungsklage.
2. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der freiwillige Wehrdienst nicht in den Katalog der Berücksichtigungstatbestände nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG aufgenommen wurde.
3. Abhängig von seiner Ausgestaltung und der Art der Durchführung im Einzelfall kann der freiwillige Wehrdienst eine Maßnahme der Berufsausbildung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG darstellen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 40 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin bezog bis einschließlich Oktober 2012 Kindergeld für ihren im August 1994 geborenen Sohn, der 2012 Aussicht auf eine Ausbildungsstelle hatte, die er aber nicht antrat. Ab 1.10.2012 leistete er freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab 1.10.2012 auf und forderte das für Oktober 2012 gewährte Kindergeld zurück.
Die Klage, mit der die Familienkasse verpflichtet werden sollte, Kindergeld ab Oktober 2012 zu bewilligen, wurde vom FG des Saarlandes (Urteil vom 12.9.2013, 2 K 1094/13, Haufe-Index 6495448, EFG 2014, 659) abgewiesen.
Entscheidung
Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Das FG hat den Wehrdienst zu Recht nicht als Freiwilligendienst angesehen, aber nicht geprüft, ob der freiwillige Wehrdienst so ausgestaltet war, dass er eine Berufsausbildung vermittelte.
Hinweis
1. Die Weitergewährung des Kindergeldes nach Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung erreicht man mit einer Anfechtungsklage. Eine auf Weitergewährung gerichtete Verpflichtungsklage könnte die Familienkasse auch nicht über den Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung hinaus binden und ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Ein auf eine "Verpflichtung" gerichteter Antrag ist jedoch rechtsschutzgewährend dahin auszulegen, dass die Weitergewährung von Kindergeld mittels Anfechtungsklage angestrebt wird.
2. Volljährige Kinder können bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs berücksichtigt werden, wenn sie sich in Ausbildung oder in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befinden, einen Ausbildungsplatz suchen oder einen Freiwilligendienst leisten. Zu diesen Freiwilligendiensten gehört nicht der freiwillige Wehrdienst. Eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG kommt nicht in Betracht, weil es an der dafür erforderlichen planwidrigen Unvollständigkeit des geltenden Rechts fehlt. Denn der Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 sah die Aufnahme der Probezeit des freiwilligen Wehrdienstes in den Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG vor, was aber vom Bundesrat abgelehnt wurde.
3. Die unterbliebene Aufnahme des freiwilligen Wehrdienstes in den Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Gesetzgeber hat seinen Spielraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen nicht überschritten, da während des freiwilligen Wehrdienstes zusätzlich zum Wehrsold und den Sachbezügen gemäß dem Wehrsoldgesetz Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz gewährt werden, die zusammengenommen typischerweise den vollen Unterhalt des Wehrdienstleistenden sicherstellen.
4. Ein Militärdienst leistendes Kind kann jedoch berücksichtigt werden, wenn es in dieser Zeit eine Berufsausbildung erhält. In Betracht kommen einerseits eine Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier und andererseits die Ausbildung zu einem zivilen Beruf, z.B. als Telekommunikationselektroniker, Rettungssanitäter oder Lkw-Kraftfahrer. Unschädlich wäre es, wenn die Ausbildung in der Probezeit und im Mannschaftsdienstgrad erfolgt und eine zuvor zu durchlaufende militärische Grundausbildung einschließt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.7.2014 – III R 53/13