Leitsatz
Die Kleinunternehmerregelung ist auf solche Unternehmer beschränkt, die im Mitgliedstaat der Leistungserbringung ansässig sind.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 UStG, Art. 283 Abs. 1 Buchst. c EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die in Italien lebende Klägerin vermietete im Inland eine Ferienwohnung steuerpflichtig. FA und FG (FG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 4.6.2018, 2 K 2232/17) verneinten die Anwendung der Kleinunternehmerregelung.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Hinweis
1. Die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG kann nicht von im Ausland ansässigen Unternehmern in Anspruch genommen werden. Diese Einschränkung sieht der EuGH als unionsrechtskonform an (EuGH, Urteil vom 26.10.2010, C-97/09, Schmelz, EU:C:2010:632, BFH/NV 2010, 2380).
2. Vermietet ein im Ausland ansässiger Vermieter im Inland eine Ferienwohnung steuerpflichtig (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG), stellt sich die Frage, ob die Wohnung als feste Niederlassung (Betriebsstätte) für den Mieter eine Inlandsansässigkeit begründen kann. Im Zusammenhang mit dem Reverse Charge nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG bejaht die Finanzverwaltung dies (Abschn. 13b.11 Abs. 2 Satz 2 UStAE), überträgt dies aber nicht auf die Anwendung von § 19 UStG.
3. Der BFH verneint bei § 19 UStG die Begründung einer Inlandsansässigkeit durch den Besitz einer vermieteten Wohnung. Er führt hierfür das EuGH-Urteil Schmelz (a.a.O.) an. Danach verstößt im Fall der Wohnungsvermietung die Beschränkung der Kleinunternehmerregelung auf im Inland ansässige Unternehmer nicht gegen die Niederlassungsfreiheit, da der Besitz einer vermieteten Wohnung keine Niederlassung begründet. Insoweit verweist der EuGH auf das Fehlen von "Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen".
4. Mit seiner Entscheidung vertraut der BFH darauf, dass es der EuGH bei seiner Beurteilung entsprechend dem Urteil Schmelz belässt. Ob diese Erwartung zutrifft, wird der Ausgang des aus Österreich stammenden Vorabentscheidungsersuchens C-931/19 in der RechtssacheTitanium zeigen. Der EuGH soll hier entscheiden, ob die feste Niederlassung
- stets das Vorliegen einer personellen und technischen Ausstattung erfordert und daher an der Niederlassung unbedingt eigenes Personal des Dienstleistungserbringers vorhanden zu sein hat oder ob
- im Fall der steuerpflichtigen Vermietung einer im Inland belegenen Liegenschaft, die sich bloß als passive Duldungsleistung darstellt, diese auch ohne personelle Ausstattung als feste Niederlassung anzusehen sein kann.
Das vorlegende Gericht beschäftigt sich bei seiner Vorlage nicht mit dem EuGH-Urteil Schmelz. Es geht vielmehr um die Anwendung des Reverse Charge. Entsprechend der Sichtweise der deutschen Finanzverwaltung lehnt auch die Finanzverwaltung in Österreich eine Steuerschuld des Leistungsempfängers bei einer Grundstücksvermietung durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer ab. Sollte der EuGH das Vorliegen einer festen Niederlassung entgegen seinen Ausführungen zur Niederlassungsfreiheit im Urteil Schmelz bejahen, könnte dies auch für § 19 UStG von Bedeutung sein. Allerdings kann selbst bei Annahme einer festen Niederlassung für Zwecke des Reverse Charge diese bei § 19 UStG zu verneinen sein, da auf der Grundlage des EuGH-Urteils Schmelz auch davon auszugehen ist, dass die Kleinunternehmerregelung nicht in mehreren Mitgliedstaaten zeitgleich in Anspruch genommen werden soll.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.12.2019 – V R 3/19