Leitsatz
1. Der Begriff des "Termingeschäfts" i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG ist im Grundsatz nach wertpapier- und bankenrechtlichen Maßgaben zu bestimmen und vom Kassageschäft abzugrenzen. Das Ausmaß der spezifischen Gefährlichkeit eines konkreten Geschäfts spielt weder für die Qualifizierung als Termingeschäft noch als Kassageschäft eine Rolle (Fortentwicklung des Senatsurteils vom 21.02.2018 – I R 60/16, BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637). Knock-out-Produkte in Form von Zertifikaten (hier: Unlimited TurboBull Zertifikate) unterfallen als Kassageschäfte nicht dem Ausgleichs- und Abzugsverbot des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG.
2. Die Gebühren für eine verbindliche Auskunft unterfallen als "Kosten" dem Abzugsverbot nach § 10 Nr. 2 Halbsatz 2 KStG, wenn diese – abstrakt betrachtet – auf eine der in § 10 Nr. 2 Halbsatz 1 KStG genannten Steuern entfallen. Einer darüber hinausgehenden Akzessorietät, wonach die verbindliche Auskunft auf eine bestimmte, festgesetzte und nicht abziehbare Steuer entfällt, bedarf es nicht.
Normenkette
§ 15 Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Sätze 6 und 7 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, § 3 Abs. 4 Nr. 7 AO i.d.F. vom 18.7.2016, § 89 AO i.d.F. des JStG 2007, § 4 Abs. 5b, § 12 Nr. 3 Halbsätze 1 und 2 EStG, § 8 Abs. 1, § 10 Nr. 2 Halbsätze 1 und 2 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH und war u.a. im Rahmen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft Organträgerin der B-GmbH, die wiederum Organträgerin im Rahmen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft mit der D-GmbH war. Die D-GmbH erwarb im Jahr 2008 von der X-Bank ausgegebene sog. Unlimited TurboBull Zertifikate und auf Aktienindizes bezogene Zertifikate (CB TurboBull DJIA/WKN: 145202, CB Dax30 Turbo/WKN: CB8910, CB Dow Jones/WKN: CK0751 und Dax Turbo CB/WKN: CK0760). Als sog. Knock-out-Zertifikate zeichneten sie sich durch die Möglichkeit aus, mit relativ geringem Kapitaleinsatz überproportional an der Wertentwicklung des zugrunde liegenden Basiswerts zu partizipieren; erreichte oder durchbrach der Basiswert jedoch eine bestimmte Kursschwelle, verfielen sie (nahezu) wertlos.
Die Zertifikate sahen bei ihrer Einlösung eine Rückzahlung i.H.d. mit dem Bezugsverhältnis multiplizierten Differenz aus dem Schlussstand des Indexes und dem angepassten aktuellen Basispreis am jeweiligen Bewertungstag vor; dabei war eine Einlösung zu bestimmten vorgegebenen Einlösungsterminen möglich und erforderte eine Einlösungserklärung des Zertifikateinhabers. Sofern der Index jedoch während der Laufzeit der Zertifikate einen Stand auf oder unterhalb einer in den Zertifikatebedingungen bestimmten sog. Knock-out-Schwelle erreichte, sollten die Zertifikate – ohne weiteres Tätigwerden des Zertifikateinhabers – als eingelöst gelten. Die Rückzahlung entsprach in diesem Fall einem im Voraus definierten, erheblich reduzierten Betrag, der im Extremfall (nahe) null betragen konnte.
Bedingt durch ein Absinken des jeweiligen Indexstandes fiel der Kurs der Zertifikate in der Folge unter ihren Buchwert. Die D-GmbH erzielte daraufhin im Jahr 2008 Verluste i.H.v. insgesamt ... EUR, die sie zunächst gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG als körperschaftsteuerlich eingeschränkt abziehbare Verluste geltend machte (Zertifikatsverluste). Neben diesen Verlusten erzielte sie Erträge aus dem Verkauf entsprechender Zertifikate i.H.v. ... EUR, sodass sie im Ergebnis Verluste i.H.v. ... EUR außerbilanziell hinzurechnete.
Aufgrund der bestehenden Organschaftsverhältnisse wurde das unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG ermittelte Einkommen der D-GmbH für Steuerzwecke der B-GmbH bzw. der Klägerin zugerechnet.
Gegen die entsprechenden Bescheide über KSt und über den GewSt-Messbetrag für 2008 sowie über die gesonderte Verlustfeststellung zur KSt und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008 vom 10.8. bzw. 6.9.2010 legte die Klägerin zunächst aus anderen Gründen Einspruch ein.
Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG auf die Zertifikatsverluste Anwendung finde. Dem folgte das FA durch geänderte Bescheide vom 11.4.2014.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens beantragte die Klägerin ferner, die Gebühr für eine verbindliche Auskunft i.H.v. ... EUR, die zuvor als nicht abziehbare Aufwendung erklärt und veranlagt worden war, einkommensmindernd zu berücksichtigen. Sie hatte mit Schreiben vom 1.10.2007 beim FA Y die Erteilung einer verbindlichen Auskunft zu der Frage, ob die Einbringung von Aktien an der G-AG in die H-GmbH im Wege der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 des UmwG zu einer nachträglichen Versagung des verschmelzungsbedingten Übergangs des Verlustvortrags der I-GmbH auf die Klägerin zum 31.12.2005 führe bzw. welche Anforderungen für den Fortbestand des übergegangenen Verlustvortrags im Hinblick auf die übergehenden Aktien nach Maßgabe des § 12 Abs. 3 Halbsatz 2 UmwStG 2006 einzuhalten seien, beantragt. Das FA Y erteilte mit Schreiben ...