Fragen
A.1 Welche Bedeutung haben bei einem nicht kapitalmarktorientierten Konzern mit deutscher Mutter die IFRS und das HGB für die Pflicht, einen Konzernabschluss aufzustellen?
A.2 Was besagt die sog. Einzelerwerbsfiktion für den Fall der Mehrheitserlangung durch einen Anteilskauf (share deal)?
A.3 M beteiligt sich Anfang 01 mit 200 TEUR (= 20 %) an der Gründung der AU. Die AU erzielt in 01 und 02 ein Ergebnis von jeweils 100 TEUR (anteilig für M jeweils 20 TEUR). In 02 wird außerdem eine Dividende für 01 beschlossen und ausgeschüttet. Der Anteil von M an dieser Ausschüttung beträgt 15 TEUR. Welchen Wert hat der Anteil an der AU nach der equity-Methode zum 31.12.02?
B.1 Nach ausdrücklicher Bestimmung von § 296 Abs. 2 HGB kann im handelsrechtlichen Konzernabschluss auf die Einbeziehung (Konsolidierung) unwesentlicher Tochterunternehmen verzichtet werden. Gibt es ein solches Einbeziehungswahlrecht auch in IFRS 10 oder sonst in den IFRS?
B.2 Was ist unter dem Begriff "Präsenzmehrheit an einer AG" zu verstehen?
B.3 Was unterscheidet eine Erstkonsolidierung nach der full-goodwill-Methode (Wahlrecht nach IFRS) von der Erstkonsolidierung nach HGB?
C.1 Warum ist es einem publizitätsfeindlichen Konzern mit nicht börsennotierter deutscher Mutter nicht möglich, den Konzernabschluss in einer exotischen Sprache und einer exotischen Währung aufzustellen, damit möglichst wenige ihn verstehen?
C.2 Warum ist bei sog. strukturierten Einheiten (Leasingobjektgesellschaften, ABS-Gesellschaften usw.) für die Beurteilung der Beherrschung häufig irrelevant, wer die Organe (Geschäftsführung, Gesellschafterversammlung) dominiert?
C.3 MU hielt bisher schon 60 % an TU. Der nicht beherrschende Anteil von 40 % ist im Konzernabschluss mit 800 TEUR im Eigenkapital bilanziert. Nun erwirbt MU die weiteren 40 % gegen einen Kaufpreis von 1.200 TEUR (der Mehrbetrag von 400 TEUR entfällt je zur Hälfte auf anteilige stille Reserven sowie auf den goodwill. Welche Folgen hat die Transaktion für die stillen Reserven, für den goodwill und das Eigenkapital im Konzernabschluss?
Antworten
A.1 Ob der Konzern überhaupt zur Aufstellung eines Konzernabschlusses gesetzlich verpflichtet ist, ergibt sich allein aus dem HGB (§§ 290 ff. HGB). Wenn eine gesetzliche Pflicht besteht, kann diese wahlweise durch einen HGB- oder IFRS-Konzernabschluss erfüllt werden. Für den zweiten Fall ist das IFRS-Regelwerk bedeutsam.
A.2 Nach der Einzelerwerbsfiktion wird so bilanziert, als ob das Mutterunternehmen nicht eine Beteiligung gekauft hätte (rechtlich: share deal), sondern einzelne Vermögenswerte und Schulden erworben hätte (wirtschaftlich: asset deal).
A.3 Nach der equity-Methode sind die Anschaffungskosten um Gewinnanteile zu erhöhen und um Dividenden zu vermindern. Andere Fortschreibungseffekte (insbesondere Abschreibung stiller Reserven) spielen im Beispiel keine Rolle. Der equity-Ansatz entwickelt sich daher wie folgt:
Anschaffungskosten |
200 |
Anteil am Jahresergebnis 01 |
20 |
Ausschüttung für 01 in 02 |
–15 |
Anteil am Jahresergebnis 02 |
20 |
= equity-Wert 31.12.02 |
225 |
B.1 IFRS 10 enthält keine Einbeziehungswahlrechte. Die Nichteinbeziehung unwesentlicher Tochterunternehmen lässt sich aber aus dem allgemeinen, vor allem in IAS 8 festgehaltenen Wesentlichkeitsgrundsatz begründen.
B.2 "Normale" AGs werden durch den beherrscht, der die Mehrheit (also mehr als 50 %) der Stimmrechte in der Hauptversammlung hat. Auch ohne eine formale Stimmrechtsmehrheit kann ein Gesellschafter eine AG beherrschen, wenn (insbesondere bei breiter Streuung der übrigen Anteile) die Hauptversammlung dauerhaft schwach besucht ist und der Gesellschafter deshalb dauerhaft die Mehrheit der tatsächlich präsenten Stimmen hat.
B.3 Bei der full-goodwill-Methode werden die nicht beherrschenden Anteile (Minderheitenanteile) mit ihrem fair value erfasst, d. h. nicht nur mit dem Anteil an den stillen Reserven, sondern auch mit dem Anteil am goodwill. Nach HGB ist der goodwill immer nur für den Mehrheitserwerber aufzudecken.
C.1 Die nach HGB bestehende Konzernabschlusspflicht kann zwar durch einen IFRS-Konzernabschluss erfüllt werden. Die Tatsache, dass die IFRS weder Sprache noch Währung vorschreiben, erlaubt aber kein Ausweichen auf exotische Größen. Der IFRS-Konzernabschluss befreit nach § 315e HGB vielmehr nur dann von der sonst gebotenen Aufstellung eines HGB-Konzernabschlusses, wenn einige handelsrechtliche Vorschriften, u. a. § 244 HGB (Deutsch als Sprache, Euro als Währung) beachtet werden.
C.2 Strukturierte Einheiten werden häufig durch einen Autopiloten gesteuert, d. h., in den Gründungsdokumenten und langfristigen Verträgen sind die meisten Dinge schon vorprogrammiert, ohne dass die Geschäftsführung oder die Gesellschafterversammlung hier noch eingreifen kann und muss. Entscheidend sind dann andere Dinge als die Organmehrheit (z. B. Risiko-Chancen-Tragung usw.).
C.3 Die Aufstockung ist als Transaktion unter Eigenkapitalgebern zu behandeln und daher kein Erwerb zusätzlichen Vermögens. Zusätzliche stille Reserven und goodwi...