Leitsatz
Lohnsteuerbeträge, die in der LSt-Bescheinigung bescheinigt, aber nicht in voller Höhe abgeführt wurden, sind auch dann auf die ESt-Schuld des betreffenden Jahres anzurechnen, wenn der Arbeitslohn nicht in voller Höhe ausgezahlt, bei der ESt-Veranlagung jedoch in Höhe des zugeflossenen Betrages zuzüglich der bescheinigten Steuerabzugsbeträge erfasst wurde.
Sachverhalt
In der ESt-Erklärung für das Jahr 2008 erklärten die Kl. aus dem Arbeitsverhältnis neben einem laufenden Bruttoarbeitslohn, für den entsprechende LSt-Abzugsbeträge einbehalten wurden, 66.972,00 EUR als erhaltene Abfindung. Diese setzt sich aus den an den Kl. gezahlten (30.000,00 + 3.000,00 =) 33.000,00 EUR und den Steuerabzugsbeträgen lt. Steuerbescheinigung i. H. v. insgesamt 33.972,15 EUR zusammen. Auf die festgesetzte ESt wurden jedoch die Steuerabzugsbeträge nicht in voller Höhe angerechnet. Unter Berufung auf § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG kürzte das FA die zur Abfindung i. H. v. 92.612,00 EUR angemeldeten und bescheinigten Abzugsbeträge (zusammen 33.972,15 EUR) hinsichtlich der LSt auf 21.000,00 EUR, da nur diese Beträge auf den der Besteuerung zugrunde gelegten Bruttoabfindungsbetrag von 66.972,00 EUR entfielen. Im Klageverfahren verweisen die Kläger darauf, dass der bisher nicht ausgezahlte Restbetrag der Abfindung erst im Rahmen der Veranlagung des Jahres zu erfassen sei, in dem er dem Kl. auch zufließe. Dagegen seien die bescheinigten Steuerabzugsbeträge in voller Höhe zu berücksichtigen. Wenn die bescheinigten Steuerabzugsbeträge in voller Höhe als zugeflossen berücksichtigt würden, müssten auch die entsprechenden Steuerabzugsbeträge in voller Höhe bei der Ermittlung der ESt abgezogen werden. Zu Unrecht berufe sich das FA auf die Regelung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG und dazu ergangene Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte. Die Rechtsprechung mit dem Ergebnis einer nur eingeschränkten Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen sei nämlich zu Schätzungsfällen ergangen.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG hat das FA mit seiner Entscheidung, auch die in der Steuerbescheinigung für 2008 angegebenen Steuerabzugsbeträge in voller Höhe von 33.972,15 EUR zwar einerseits als Arbeitnehmereinkünfte des Kl. der Besteuerung zu unterwerfen, andererseits jedoch eine volle Anrechnung dieser Beträge zu versagen, die Regelung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG fehlerhaft ausgelegt. Das FG hat entschieden, dass eine volle Anrechnung der als Lohn des Kl. (in Form einer Abfindung) bei der Besteuerung erfassten, auf den vollen Abfindungsbetrag entfallenden Lohnsteuer (33.972,15 EUR) sachgerecht ist. Zwar ist dieser Betrag nicht in voller Höhe an das Finanzamt abgeführt worden. Hierauf kommt es jedoch nach dem in § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG geregelten Korrespondenzprinzip nicht an. Auch kann der Wortlaut dieser Regelung so ausgelegt werden, dass Steuerabzugsbeträge, die als Arbeitslohn oder als sonstiger Vorteil Eingang in die Besteuerung gefunden haben, auch in derselben Höhe wiederum als Anrechnungsbeträge auszuweisen sind.
Hinweis
Die vom BFH zugelassene Revision wurde eingelegt und wird unter dem Az. VII R 28/12 beim BFH geführt. In vergleichbaren Fällen sollten Betroffenen sich gegen die Entscheidung des FA wehren und den Fall durch einen Einspruch bis zur Entscheidung durch den BFH offen halten.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 24.04.2012, 6 K 1498/11 AO