Leitsatz
Die Neuregelung in § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 EStG durch das BeitrRLUmsG, wonach der Abzug der Kosten eines Erststudiums im Anschluss an das Abitur nur als Sonderausgaben möglich ist, stellt keinen Verstoß gegen das objektive oder subjektive Nettoprinzip dar, und die im Gesetz vorgesehene Rückwirkung verstößt auch nicht gegen die Verfassung.
Sachverhalt
Der Kläger hat im Anschluss an das Abitur ein Studium begonnen und erzielte nur geringe Einkünfte. In der Steuererklärung für das Jahr 2007 machte er Kosten für einen Studienaufenthalt im Ausland in Höhe von 18.600 EUR als Werbungskosten geltend, welche das FA lediglich als Sonderausgaben in Höhe von 4.000 EUR anerkannt hat. Die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags lehnte das FA ebenfalls ab. Im Klageverfahren trug der Kläger vor, dass im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des BFH (Urteile v. 28.7.2011) die Vorschrift des § 12 Nr. 5 EStG verfassungswidrig sei.
Entscheidung
Unter Hinweis auf § 9 Abs. 6 EStG und § 12 Nr. 5 EStG i. d. F. des BeitrRLUmsG lehnte das FG den begehrten Werbungskostenabzug ab und vertritt die Auffassung, dass die Neuregelung nicht gegen das objektive oder subjektive Nettoprinzip verstößt, weil die Kosten für die Erstausbildung gemischt und nicht zwangsläufig allein beruflich veranlasst seien. Die Zuweisung dieser Ausgaben zum Bereich der Sonderausgaben liege im Rahmen des dem Gesetzgeber zu stehenden Gestaltungsspielraums. Auch die im Gesetz vorgesehene Rückwirkung zum 1.1.2004 sei zulässig, da der Gesetzgeber rückwirkend eine Rechtslage festgeschrieben habe, die bis zur Änderung der BFH Rechtsprechung der Rechtsanwendungspraxis entsprochen habe.
Hinweis
Die vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassene Revision wurde inzwischen eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. VI R 8/12 geführt. Betroffene sollten in vergleichbaren Fällen Einspruch gegen die Ablehnung des Werbungskostenabzugs einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO verweisen. Man darf gespannt sein, wie der BFH und dann ggf. das BVerfG entscheidet, zumal der BFH in seinen Urteilen v. 28. 7. 2011 bereits darauf hingewiesen hat, dass eine per Gesetz "verordnete" private Mitveranlassung von Berufsausbildungskosten verfassungsrechtlich bedenklich sei. In dem Verfahren 2 K 862/09 F hat das FG Münster mit Urteil v. 9.11.2011 die Berücksichtigung von Aufwendungen für ein nach erfolgloser 4-jähriger Erstausbildung absolviertes Erststudium als vorweggenommene Werbungskosten anerkannt. Auch gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt (Az. VI R 61/11).
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 20.12.2011, 5 K 3975/09 F