Leitsatz
Kostenerstattungen eines kirchlichen Arbeitgebers an seine Beschäftigten für die Erteilung erweiterter Führungszeugnisse, zu deren Einholung der Arbeitgeber zum Zwecke der Prävention gegen sexualisierte Gewalt kirchenrechtlich verpflichtet ist, führen nicht zu Arbeitslohn.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 38 Abs. 3 Satz 2, § 40 Abs. 1 Satz 1, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger ist ein kirchlicher Arbeitgeber, der als freier Träger Arbeitnehmer im sozialen Bereich, insbesondere Geistliche, Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter, beschäftigt. In der auch für ihn geltenden Ordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen der Diözese X war u.a. geregelt, dass Mitarbeitende im sozialen Bereich ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen hätten und die anfallenden Kosten hierfür vom jeweiligen Arbeitgeber zu tragen seien.
Nach einer LSt-Außenprüfung für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2016 vertrat das FA die Auffassung, dass die vom Kläger erstatteten Aufwendungen für die Erteilung von erweiterten Führungszeugnissen in den laufenden Beschäftigungsverhältnissen als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassen sei, und erließ einen entsprechenden LSt-Nachforderungsbescheid.
Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das FG statt (FG Münster, Urteil vom 23.3.2022, 7 K 2350/19 AO, EFG 2022, 920, Haufe-Index 15160588).
Entscheidung
Die Revision des FA hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Steuerbarer Arbeitslohn liegt in der Regel auch vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Aufwendungen erstattet, die der Arbeitnehmer als Werbungskosten zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) tätigt. Dahin gehender Barlohn (Werbungskostenersatz) ist nur in den gesetzlich vorgesehenen (hier nicht einschlägigen) Fällen steuerfrei.
2. Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn anzusehen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann.
3. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher aus Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber – neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers – ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung.
4. Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht angenommen, dass die Erstattung der Aufwendungen für die Einholung der erweiterten Führungszeugnisse in den Streitjahren im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse erfolgte und deshalb kein Arbeitslohn vorlag. Es hat eine Gesamtwürdigung vorgenommen, die revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar ist. Sie ist unter den im Streitfall vorliegenden Umständen nicht nur möglich, sondern naheliegend und lässt keine Rechtsfehler erkennen.
a) Denn die Einholung der erweiterten Führungszeugnisse durch die Arbeitnehmer erfolgte hiernach aufgrund einer nur die kirchlichen Rechtsträger, nicht aber die Arbeitnehmer treffenden (kirchenrechtlichen) Verpflichtung. Durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasste, zu Lohn führende Zuwendungen erbringt der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern aber regelmäßig nicht, wenn er ausschließlich eine eigene, insbesondere nicht gegenüber den Arbeitnehmern bestehende Verpflichtung erfüllt. Die zur Erfüllung einer entsprechenden Verpflichtung entstehenden Kosten wendet der Arbeitgeber in einer solchen Konstellation im eigenen Interesse auf. Sie sind Ausfluss seiner eigenbetrieblichen Tätigkeit. Haben die Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber für dessen eigenbetriebliche Tätigkeit zu tragenden Kosten – wie im Streitfall – zunächst aus eigenen Mitteln verauslagt, wendet der Arbeitgeber ihnen mit der Erstattung ihrer Aufwendungen keinen Vorteil zu, der sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen de...