Rainer Jung, Dr. Andreas Suter
Zusammenfassung
Wo prozentuale Zuschlagskalkulationen wenig zur Kostentransparenz beitragen, setzt die Prozesskostenrechnung an. Insbesondere bei hohen Gemeinkostenanteilen ist eine Kostenzuweisung nach der effektiven Beanspruchung zweckmäßiger als die Zuschlagskalkulation.
Die hier vorgestellte Prozesskostenrechnung verwendet die klassischen Instrumentarien der Kostenrechnung. Sie ist einfach implementierbar, sofern sich die Kostenstellen nicht an Stellen, sondern an den wertschöpfenden Prozessen orientieren.
Voraussetzungen für die prozessorientierte Kostenrechnung sind strukturierte und transparente Geschäftsprozesse. Ein Ansatz, diese Voraussetzungen zu schaffen, ist der Blackbox-Ansatz. Darin wird über 3 Stufen das Gesamtunternehmen in Teilprozesse und dafür zuständige Einheiten aufgeteilt. Die Teilprozesse werden danach zu Geschäftsprozessen zusammengesetzt.
1 Steigende Ansprüche an die betriebliche Leistungs- und Kostentransparenz
Erschwerte Unternehmenssteuerung wegen Komplexität
Kaum ein Unternehmen kann sich heute noch dem Verlangen der Kunden nach neuen kundenspezifischen Lösungen und zusätzlichen Dienstleistungen entziehen. Um sich im Wettbewerb hervorzuheben, müssen diese Leistungen kostengünstiger, schneller, qualitativ besser und bedarfsgerechter als von der Konkurrenz hergestellt werden. Um dabei den Überblick zu behalten, braucht es eine transparente Steuerung des operativen Geschäfts. Doch die Implementierung einer aussagekräftigen Steuerung wird mit zunehmender Produkt- und Dienstleistungspalette – man denke nur schon an die kundenspezifischen Varianten – sowie "Fixkostenintensivität" immer schwieriger. Denn mit der Variantenzahl steigt auch die Anzahl unterschiedlicher Geschäftsprozesse, die zur Erstellung der Leistungen erforderlich sind. Und diese sind durch eine multidisziplinäre Belegschaft – meistens funktional organisiert – abzuwickeln. Doch genau hier liegt das Problem: Denn mit steigender interner Komplexität wird es auch deutlich schwieriger, eine transparente Kosten- und Leistungsrechnung zu implementieren. Zugleich wachsen die Gemeinkosten jener Bereiche der Organisation, welche diese betriebliche Komplexität im Alltag "meistern" müssen.
Produktvielfalt, Prozess- und Organisationskomplexität
So auch bei einem international tätigen Maschinenbauer mit rund 5.000 Mitarbeitern. Dieser produzierte neben seinen Katalogprodukten immer mehr kundenspezifische Lösungen. Jedoch gab es für die Erstellung der anwachsenden Leistungspalette kein einheitliches und strukturiertes Prozessmodell. Vielmehr zeichnete sich die Leistungserbringung durch eine Vielzahl unterschiedlicher Prozessabläufe und -varianten aus. Im Tagesgeschäft führte dies zu zahlreichen Schnittstellen zwischen den Abteilungen während der Abwicklung eines Geschäftsfalls. Die Folge: Die Werteflüsse variierten von Geschäftsfall zu Geschäftsfall, was die Implementierung einer Kostenkalkulation nach dem Beanspruchungsprinzip sowie eine transparente Steuerung des Geschäfts erschwerte.
Transparenz mit prozessorientierter Kostenrechnung
Der Beitrag zeigt, wie mithilfe einer prozessorientierten Kostenrechnung für mehr Transparenz im Tagesgeschäft gesorgt werden kann. Voraussetzung hierfür sind transparente und einfache Geschäftsprozesse, denen die Prozessressourcen eindeutig zugeordnet werden können und die über einfache Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen im Leistungsaustausch stehen. Bei der Definition derartiger Prozesse hilft der Blackbox-Ansatz, der klare und prozessbasierte Rollen und Verantwortlichkeiten im Wertschöpfungssystem definiert. Er sorgt für eindeutige Entsprechungen zwischen Prozess- und Kostensicht, wodurch sich der Wertzuwachs am Prozessobjekt einfach ermitteln und die echte Profitabilität der Leistungen errechnen lässt. Als Basis dienen die Instrumentarien der Kosten- und Leistungsrechnung, welche mittels des betriebswirtschaftlichen Konzepts situativ, d. h. hinsichtlich der spezifischen Anforderungen des Unternehmens, angewendet werden.
2 Prozentuale Zuschlagskalkulationen verzerren das Bild
Fehlinterpretationen durch Zuschlagskalkulation
Ein gängiger Ansatz der Unternehmen, um ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, ist die Kalkulation mittels prozentualer Zuschläge. Dabei werden die Gemeinkosten linear proportional zu einer Wertbasis, z. B. Materialeinzelkosten, Fertigungseinzelkosten, Herstellkosten, und der Produktmenge den Produkten zugerechnet. Jedoch verzerren derartige Kalkulationen das Bild. Denn sie ignorieren dabei, ob es sich um
- eine einfache oder komplexe Material- und Teilestruktur,
- einen hohen oder niedrigen Wertschöpfungsanteil,
- ein Großserienprodukt oder eine exotische Variante,
- ein Standardprodukt oder eine kundenindividuelle Lösung,
- einen Groß- oder Kleinauftrag oder
- einen aufwendigen oder weniger aufwendigen Vertriebskanal
handelt. Die echten Kosten und die Profitabilität lassen sich damit nicht ermitteln.
Auch im Falle des Maschinenbauers wurde mit aufwandsunabhängigen Zuschlagskalkulationen versucht, das Geschäft zu steuern. Bestellte z. B. eine Vertriebs- oder Serviceeinheit ein Katalogprodukt bei den divisionalen Produktionsstätte...