Leitsatz
1. Das Antragsrecht für die Gewährung kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Vergünstigungen für Schwerbehinderte steht nach dem Tod des Berechtigten seinen Erben zu (entgegen Ziff. 8.7 DV‐KraftSt).
2. Der Feststellungsbescheid über das Vorliegen einer Behinderung, den GdB und über das Vorliegen weiterer gesundheitlicher Merkmale ist hinsichtlich dieser Feststellungen Grundlagenbescheid für den Kraftfahrzeugsteuerbescheid über Vergünstigungen für Schwerbehinderte.
Normenkette
§ 3a KraftStG; § 171 Abs. 10 AO, § 69 Abs. 1, Abs. 4 und Abs. 5 SGB IX a.F., § 152 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 SGB IX
Sachverhalt
Der Halter eines Pkw war kurz nach Abmeldung des Fahrzeugs (7.5.2017) verstorben. Noch zu Lebzeiten war eine Schwerbehinderung seit dem 24.2.2017 mit Merkzeichen u.a. H, B und aG festgestellt worden. Die Erben beantragten, den Pkw rückwirkend vom 24.2.2017 bis zur Abmeldung nach § 3a Abs. 1 KraftStG von der KraftSt zu befreien.
Das HZA lehnte dies ab, weil es sich bei der Steuerbefreiung um ein höchstpersönliches Recht handele, das nicht von den Erben geltend gemacht werden könne.
Die Klage beim FG hatte Erfolg. Das FG verpflichtete das HZA zur Gewährung der Steuerbefreiung und entsprechender Festsetzung der KraftSt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2019, 13 K 1012/18, Haufe-Index 13694400, EFG 2020, 417).
Entscheidung
Die Revision des HZA wies der BFH als unbegründet zurück. Die Schwerbehinderung als Voraussetzung der Steuerbefreiung ergebe sich aus dem Bescheid über die Feststellung der Schwerbehinderung, der als Grundlagenbescheid für die KraftSt-Festsetzung bindend sei. Der KraftSt-Bescheid sei rückwirkend auf den Zeitpunkt des festgestellten Eintritts der Schwerbehinderung zu ändern, weil auch alle anderen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt seien.
Der Antrag habe noch nach Ende des Befreiungszeitraums gestellt werden können. Ob der Halter den Antrag selbst stelle und vor der Entscheidung über den Antrag versterbe oder ob der Antrag – wie hier – erst von den Erben gestellt werde, sei ohne Bedeutung. Es sei allein entscheidend, ob der Antragsteller zu Lebzeiten die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt habe.
Hinweis
1. Das Urteil klärt entgegen der Auffassung der Verwaltung, dass die Befreiung von der KraftSt wegen einer Schwerbehinderung nach § 3a Abs. 1 KraftStG auch nach dem Tod des schwerbehinderten Fahrzeughalters von dessen Erben beantragt werden kann. Eine etwaige Erstattung bereits geleisteter KraftSt erhöht dann den Nachlass. Die anderslautende Regelung in Ziff. 8.7 Abs. 1 DV-KraftSt ist danach rechtswidrig und wird aufzuheben sein.
Erst recht wird der Antrag dann auch von einem über den Tod hinaus Bevollmächtigten für den verstorbenen Halter gestellt werden können. Deshalb wird auch Ziff. 8.7 Abs. 2 DV-KraftSt, wonach derartige Anträge abzulehnen sind, als rechtswidrig beurteilt werden müssen.
2. Die Schwerbehinderung ist nach dem Wortlaut des § 3a Abs. 1 KraftStG durch den Schwerbehindertenausweis nachzuweisen. Dieser Ausweis wird auf der Grundlage eines betreffenden Feststellungsbescheids ausgestellt. Deshalb sieht der BFH bereits diesen Bescheid als Grundlagenbescheid für die KraftSt an. Dies entspricht auch der Verwaltungsauffassung (Ziff. 8.4 DV-KraftSt).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.2.2021 – IV R 38/19