Leitsatz
1. Ist ein Steuerpflichtiger sowohl Pflichtmitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse als auch freiwillig privat krankenversichert, kann er lediglich die Beiträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG abziehen, die er an die gesetzliche Krankenversicherung entrichtet.
2. Der Abzug der nicht als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge als außergewöhnliche Belastung scheidet ebenfalls aus.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a, § 33 Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Die Kläger waren im Streitjahr 2013 als Rentner in der GKV pflichtversichert. Zusätzlich hatten sie auch einen privaten Basiskrankenversicherungsschutz. Das FA berücksichtigte nur die Beiträge zur GKV als beschränkt abziehbare Sonderausgaben im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG. Die Kläger waren demgegenüber der Auffassung, das Gesetz beschränke die "Erforderlichkeit" in § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG gerade nicht auf Basisabsicherungsbeiträge nur zu einer Versicherung. Ihre Klage hatte lediglich insoweit Erfolg, als das FA im Streitfall die Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG fehlerhaft durchgeführt hatte (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2016, 7 K 7099/15, Haufe-Index 10128339, EFG 2017, 209).
Entscheidung
Die Revision der Kläger war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen unbegründet.
Hinweis
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG sind Beiträge zu Krankenversicherungen als Sonderausgaben abziehbar, soweit sie zur Erlangung eines durch das SGB XII bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind.
2. Wann eine Erforderlichkeit anzunehmen ist, hat der Gesetzgeber für die unterschiedlichen Versichertengruppen in den folgenden Sätzen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG konkretisiert: Für gesetzlich Versicherte sind dies die Beiträge zur GKV, die nach dem SGB V festgesetzt werden. Für Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung sind es die Beitragsanteile, die auf Vertragsleistungen entfallen, die, mit Ausnahme der auf das Krankengeld entfallenden Beitragsanteile, in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V vergleichbar sind.
3. Leistet ein Steuerpflichtiger sowohl Beiträge in eine GKV als auch in eine private Krankenversicherung, um dort jeweils Basisversicherungsschutz zu erlangen, fehlt es zwar an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung dieser Konstellation. Aus der Systematik sowie der Sinn und Zweck des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG folgt aber, dass der Sonderausgabenabzug der Beiträge für einen doppelten Basiskrankenversicherungsschutz nicht möglich ist. Denn das entscheidende Kriterium für die Berücksichtigung der KV-Beiträge ist deren Erforderlichkeit zur Erlangung des verfassungsrechtlich gebotenen Versorgungsniveaus, die bei einer doppelten oder sogar mehrfachen Absicherung nicht mehr gegeben ist, da die Basisversorgung bereits durch eine Krankenversicherung gewährleistet ist.
4. Die Antwort auf die sich anschließende Frage, welche Beiträge berücksichtigt werden können, – die in die GKV oder die in die private Krankenversicherung geleisteten Zahlungen – kann ebenfalls aus dem Sinn und Zweck des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG abgeleitet werden. Ist ein Steuerpflichtiger in der GKV pflichtversichert, beruhen sowohl die gewährten Leistungen als auch die Höhe der zu zahlenden Beiträge auf den Regelungen des SGB V. Diesem Gesetzesbefehl kann sich ein pflichtversicherter Steuerpflichtiger nicht entziehen. Seine diesbezüglichen Beiträge sind damit zur Erlangung des Basisversicherungsschutzes sowohl unvermeidbar als auch erforderlich. Demgegenüber ist der Abschluss einer weiteren Krankenversicherung unter diesen Umständen nicht notwendig und damit freiwillig. Deren Beiträge sind damit nicht abziehbar.
5. Ein Abzug der nicht als Sonderausgaben berücksichtigten KV-Beiträge als außergewöhnliche Belastung scheidet ebenfalls aus. Aufwendungen, die ihrer Art nach Sonderausgaben sind (hier: KV-Beiträge), können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist es unerheblich, ob die Aufwendungen im Einzelfall als Sonderausgaben tatsächlich abziehbar sind oder ob sie sich wegen Überschreitens der gesetzlichen Höchstgrenzen steuerlich nicht auswirken. Es ist vielmehr ausreichend, dass die Krankenversicherungsbeiträge ihrer Art nach Sonderausgaben sind. Zudem stellen die Beiträge auch deswegen keine außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG dar, weil die Aufwendungen nicht zwangsläufig erwachsen sind. Denn ein Steuerpflichtiger ist weder rechtlich, tatsächlich noch sittlich verpflichtet, eine weitere private Krankenversicherung abzuschließen, wenn er bereits durch seine GKV einen Basisversicherungsschutz erlangt hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.11.2017 – X R 5/17