Leitsatz
Der von einer ausländischen EU-Kapitalgesellschaft im Jahr 1994 durch eine Zweigniederlassung im Inland erzielte Gewinn unterliegt einer Körperschaftsteuerbelastung von 33,5 %, allenfalls von 33,885 % (Anschluss an EuGH-Urteil vom 23.2.2006, Rs. C-253/03"CLT-UFA", BFH-PR 2006, 195; ABlEU 2006, Nr. C 131,4).
Normenkette
Art. 52, Art. 58 EGV, § 23 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 KStG 1991 i.d.F. des StandOG vom 13.9.1993
Sachverhalt
Die Klägerin ist S.A. mit Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg. Sie unterhielt u.a. im Jahr 1994 (Streitjahr) in Deutschland eine Zweigniederlassung. Das FA veranlagte die Klägerin entsprechend der von ihr eingereichten Steuererklärung als beschränkt steuerpflichtige Körperschaft mit ihrem durch die Zweigniederlassung erzielten Einkommen für das Streitjahr zur KSt und setzte die Steuer auf 42 % des zu versteuernden Einkommens fest.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, dieser Steuersatz sei diskriminierend und verletze ihr Recht auf Niederlassungsfreiheit gem. Art. 52 EGV (jetzt Art. 43 EG) i.V.m. Art. 58 EGV (jetzt Art. 48 EG), waren erfolglos (vgl. EFG 2001, 651).
Entscheidung
Der BFH hatte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (Beschluss vom 1.4.2003, I R 31/01, BFH-PR 2003, 348). Der EuGH sah in den unterschiedlich hohen Steuersätzen für Tochtergesellschaften und Niederlassungen einen Diskriminierungsverstoß.
Mit der nunmehrigen "End-Entscheidung" trägt der BFH den europarechtlichen Anforderungen in der Auslegung des EuGH Rechnung. Er urteilt, die Klägerin sei in Deutschland einem Steuersatz von 33,5 % zu unterwerfen, also dem Ausschüttungssteuersatz von 30 % zuzüglich der Belastung mit KapESt.
Damit sei die Gleichbehandlung mit einer inländischen Tochtergesellschaft erreicht.
Hinweis
Ausgangspunkt und gewissermaßen Grundlage des Urteils ist das in derselben Sache vorangegangene EuGH-Urteil vom 23.2.2006, Rs. C-253/03"CLT-UFA", das Ihnen in BFH-PR 2006, 196 vorgestellt wurde:
1. Im zwischenzeitlich abgeschafften KSt-Anrechnungsverfahren unterfiel der Gewinn, den eine EG-ausländische Kapitalgesellschaft mit ihrer inländischen Betriebsstätte erzielte, einem KSt-Satz von 42 % (vgl. § 23 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 KStG a.F). Betrieb die EG-ausländische Gesellschaft ihre Geschäfte im Inland hingegen nicht in Gestalt einer Betriebsstätte, sondern einer eigenständigen, unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft, betrug der Steuersatz im Fall der Vollausschüttung (bis zum 30.6.1996) max. 33,5 %, nämlich 30 % des Gewinns vor Abzug der KSt (§ 27 Abs. 1 KStG a.F.) zzgl. 5 % an KapESt auf den Ausschüttungsbetrag (= 70/100 des Gewinns vor Abzug der KSt von 30 %). Das folgt aus § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1 Satz 1, § 44d Abs. 1 EStG 1994.
Nach dem 30.6.1996 wurde die KapESt auf Antrag im Ausschüttungsfall nicht mehr erhoben (§ 44d Abs. 1 Satz 3 EStG 1994). Im Thesaurierungsfall betrug die KSt so oder so 45 % (§ 23 Abs. 1 KStG a.F.), konnte bei Ausschüttung bis zum 30.6.1996 jedoch gleichermaßen gemindert werden.
2. Damit wurde die Betriebsstätte gegenüber der Tochtergesellschaft im Grundsatz steuerlich benachteiligt. Denn die Gewinnermittlungsregeln stellen sich bei beiden letztlich gleich dar. Und der Steuersatz-Nachteil der Tochtergesellschaft im Thesaurierungsfall entpuppt sich angesichts des "Auswegs", zu günstigeren steuerlichen Bedingungen ausschütten zu können, als ein scheinbarer.
3. Der BFH hatte gegenüber der unterschiedlichen Behandlung denn auch beträchtliche gemeinschaftsrechtliche Bedenken und die Sache deswegen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Beschluss vom 1.4.2003, I R 31/01, BFH-PR 2003, 348.
Wie erwartet, wurde der Stab über die angeführten Regelungen gebrochen: Der EuGH sieht einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, die sich nicht rechtfertigen lasse. Anders gewendet: (Selbstständige) Tochtergesellschaften und (unselbstständige) Betriebstätten sind bezogen auf den Steuersatz gleich zu behandeln.
4. Der BFH wollte vom EuGH seinerzeit allerdings auch noch wissen, wie hoch denn nun der "europarechtskonforme" Betriebsstättensteuersatz sein dürfe. Er hatte dazu zu bedenken gegeben, dass der Steuersatz auf die Betriebsstättengewinne vielleicht nicht sogleich auf 30 % abgesenkt werden müsse, um europarechtlichen Anforderungen zu genügen.
Vielleicht reichten auch 33,5 % aus. Denn über den Betriebsstättengewinn könne jederzeit während des Streitjahrs 1994 verfügt werden, insoweit vergleichbar mit einer ausländischen EU-Muttergesellschaft, die ihre inländische Tochtergesellschaft während des Streitjahrs zu Vorabausschüttungen veranlasst habe. Dann hätte der Steuersatz aber – siehe oben – jedenfalls 33,5 % betragen.
Der EuGH gibt darauf keine Antwort; es sei Sache des nationalen Gerichts, einen angemessenen und gleichheitsgerechten Steuersatz "aufzuspüren".
5. Vor diesem Hintergrund hat der BFH nun entschieden, dass eine ausländische Kapitalgesellschaft mit einer inländischen Betriebsstätte im Streitjahr 1994 lediglich einem Steu...