Leitsatz
1. Der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen ist auch dann gem. § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a Doppelbuchst. cc EStG a.F. bzw. § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG n.F. zu kürzen, wenn das Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung noch nicht unverfallbar ist oder diese im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers nicht gesichert erscheint.
2. Die Kürzung des Vorwegabzugs ist nicht rückgängig zu machen, wenn eine Pensionszusage in späteren Jahren widerrufen wird.
Normenkette
§ 10 Abs. 3 EStG , § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Die GmbH hatte ihm am 22.12.1989 ein Altersruhegeld von 5.000 DM monatlich ab dem 65. Lebensjahr zugesagt. Im Jahr 1991 ergänzte sie die Zusage um eine Hinterbliebenenrente. Die sich aus den Zusagen ergebenden Verbindlichkeiten stellte die GmbH in ihren Bilanzen bis einschließlich 31.12.1993 zurück. Eine Rückdeckungsversicherung für die Pensionszusage schloss sie nicht ab.
Ab 1994 erstellte die GmbH keine Jahresabschlüsse mehr. Im April 1995 widerrief sie aus wirtschaftlichen Gründen sämtliche Pensionszusagen und ging kurz darauf in Konkurs.
Das FA kürzte bei den Einkommensteuerveranlagungen des Klägers für 1992 bis 1994 den Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen aufgrund der erteilten Pensionszusage. Das FG gab der Klage statt (EFG 2004, 251).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Der Vorwegabzug sei zu kürzen, weil der Kläger ein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung ohne eigene Beitragsleistung erlangt hatte. Das Anwartschaftsrecht bestehe bereits, wenn es noch verfallbar sei. Der spätere Widerruf der Pensionszusage wirke nicht zurück.
Hinweis
1. Eine Kürzung des Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen ist nach den im Leitsatz genannten Vorschriften u.a. dann vorzunehmen, wenn ein Steuerpflichtiger ein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung ohne eigene Beitragsleistungerworben hat. Ein Anwartschaftsrecht ist erworben, sobald der Berechtigte einen vertraglich vereinbarten (aufschiebend bedingten) Anspruch auf Zahlung von Leistungen zur Altersversorgung gegenüber seinem Arbeitgeber hat, den ihm dieser nicht mehr nach freiem Belieben entziehen kann.
Das Anwartschaftsrecht muss nicht unverfallbar sein. Denn das EStG spricht allgemein von einem "Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung" (z.B. in § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG), ohne zwischen einer verfallbaren und einer unverfallbaren Anwartschaft zu unterscheiden. Ein Anwartschaftsrecht besteht aber bereits, wenn es noch verfallbar ist. Davon gehen im Übrigen auch § 1 und § 1b BetrAVG in der ab 2001 geltenden Fassung aus.
2. Durch den Widerruf der Pensionszusage wegen nachhaltiger Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der GmbH ist das Anwartschaftsrecht nicht rückwirkend entfallen. Bei laufend veranlagten Steuern wirkt eine Änderung des für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts regelmäßig nicht zurück (vgl. BFH, Beschluss vom 19.7.1993, GrS 2/92, BStBl II 1993, 897).
Der Widerruf stellt auch kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Er bewirkt lediglich, dass das Anwartschaftsrecht nicht zum Vollrecht erstarkt, lässt aber die Tatsache, dass der Kläger in den Streitjahren ein Anwartschaftsrecht hatte, unberührt.
3. Die Tatsache, dass die GmbH für die Pensionszusage keine Rückstellungsversicherung abgeschlossen hatte, ändert ebenfalls nichts an der Kürzung des Vorwegabzugs. Der BFH hat zwar in seiner Entscheidung zur sog. Blankettzusage auf Altersversorgung (vgl. BFH, Urteil vom 14.6.2000, XI R 57/99, BStBl II 2001, 28) ausgeführt, dass ein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung wirtschaftlich dem Grunde nach mit der Rechtsposition vergleichbar sein müsse, die z.B. ein Arbeitnehmer erlangt, für den der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge abführt. Er hat dort aber bereits angedeutet, dass bei Pensionszusagen die Bildung von Rückstellungen als ausreichende wirtschaftliche Absicherung angesehen werden könne. Dies hat der BFH in der Besprechungsentscheidung nun ausdrücklich bestätigt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.7.2004, XI R 67/03