Die Frage, wann ein Laborarzt durch die Zahl seiner Mitarbeiter und seiner Aufträge die Grenzen der Freiberuflichkeit überschreitet, ist vom BFH schon öfter geprüft worden (vgl. BFH, Urteil v. 25. 11. 1975, VIII R 116/74, BStBl 1976 II S. 155 ; BFH, Beschluß v. 7. 10. 1987, X B 54/87, BStBl 1988 II S. 17 ; BFH, Urteile v. 10. 6. 1988, III R 118/85, BStBl 1988 II S. 782 und v. 1. 2. 1990, IV R 140/88, BStBl 1990 II S. 507). Die neue Entscheidung liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung.
Die Freiberuflichkeit eines Laborarztes wird hiernach zwar nicht durch den Umstand in Frage gestellt, daß sich der Arzt „der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient”; er muß jedoch in einem solchen Fall „aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig” werden ( § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ).
„Eigenverantwortlichkeit” bedeutet nach der Rechtsprechung des BFH den unmittelbaren persönlichen Einsatz des Arztes bei jeder ihm übertragenen Aufgabe; ihm selbst – und nicht den qualifizierten Mitarbeitern und Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder der Praxis als ganzer – muß die Ausführung jedes einzelnen Auftrags zuzurechnen sein .
Für die persönliche Zurechenbarkeit spielt die Zahl der Mitarbeiter und der Untersuchungsaufträge eine entscheidende Rolle. Im Streitfall hatte der Kläger durchschnittlich 50 bis 55 Arbeitskräfte (darunter 14 bis 20 als „fachlich vorgebildet anzusehende MTA, BTA und CTA”) angestellt; durchschnittlich fielen arbeitstäglich 1.557 Untersuchungen an.
Bei einer so großen Zahl von Untersuchungsaufträgen sah es der BFH als ausgeschlossen an, daß dem Kläger ausreichend Zeit für eine persönliche Mitwirkung an jedem einzelnen Auftrag blieb; er sah die Tätigkeit des Klägers deshalb als gewerblich an ( gewerbliche Einkünfte ).
Zieht man in Betracht, daß es oft gerade die besonders fähigen Laborärzte sind, die eine derart große Praxis unterhalten, so wird einem das Urteil des BFH auf den ersten Blick zwar als hart erscheinen; Schmidt/Seeger (EStG 14. Aufl., § 18 Rz. 28) halten denn auch die Rechtsprechung für „nicht sachgerecht und fortschrittsfeindlich”. Man sollte dabei jedoch nicht übersehen, daß trotz des allgemeinen technischen Fortschritts in der Labormedizin, der den Einsatz von erheblichem Kapital und eine arbeitsteilige Organisation erfordert, zur Bejahung der Freiberuflichkeit auf eine laborärztliche Beurteilung im Einzelfall nicht verzichtet werden kann. Fehlt es daran, fehlt es auch an der vom Gesetz geforderten „Eigenverantwortlichkeit”.
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