Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansehen einer während der „kritischen” Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangten Sicherung oder Befriedigung als inkongruent im Zusammenhang mit einer insolvenzrechtlichen Anfechtung. Rückgewähranspruch nach einer insolvenzrechtlichen Anfechtung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die in der kritischen Zeit durch (Drohung mit) Zwangsvollstreckung erlangte Erfüllung stellt auch dann eine inkongruente Deckung i.S.v. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar, wenn der Gläubiger keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder vom Eröffnungsantrag hatte.

 

Normenkette

InsO § 143 Abs. 1, § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 06.03.2012; Aktenzeichen 13 Ca 8550/11)

BGH (Entscheidung vom 20.01.2011; Aktenzeichen IX ZR 8/10)

BGH (Entscheidung vom 11.04.2002; Aktenzeichen IX ZR 211/01)

LAG Hamm (Urteil vom 26.11.1997; Aktenzeichen 14 Sa 1240/97)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 06. März 2012 – 13 Ca 8550/11 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber dem Beklagten einen Rückgewähranspruch nach einer insolvenzrechtlichen Anfechtung geltend.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma xxx (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Der Beklagte war bei der Insolvenzschuldnerin als Bauleiter angestellt. Die Insolvenzschuldnerin war Mitglied der Fachgemeinschaft Bau. In dem Arbeitsvertrag des Beklagten mit der Insolvenzschuldnerin war vereinbart:

„Für das Arbeitsverhältnis gelten die für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung, soweit im anderen nichts anderes vereinbart ist”

Mit Versäumnisurteil vom 21.11.2005 verurteilte das Arbeitsgericht Berlin die Insolvenzschuldnerin, an den Beklagten dessen ausstehenden Lohn für die Monate August, September und Oktober 2005 zu zahlen. Am 4.10.2006 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gestellt.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Hohenschönhausen vom 20.11.2006 wurde wegen der Forderungen aus dem Versäumnisurteil vom 21.11.2005 ein Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Übertragung von Eigentum beziehungsweise Miteigentum einschließlich Erklärung der Auflassung und Eintragungsbewilligung an zwei Grundstücken gepfändet und die Herausgabe der Grundstücke an einen Sequester angeordnet. Der Sequester sollte dann zugunsten des Beklagten Sicherungshypotheken bewilligen. Der Beklagte verzichtete in der notariellen Urkunde der Notarin xxx vom 14.02.2007 auf die Eintragung der Sicherungshypotheken in die Grundbücher Zug-um-Zug gegen Zahlung aller ihm zustehender Rechte aus den Sicherungshypotheken.

§ 5 (Belehrungen) der notariellen Urkunde regelt unter Ziffer 8 folgendes:

„Die Notarin wies darauf hin, dass sie aufgrund der Vorgänge in der gerichtlich angeordneten Sequestration Anhaltspunkte dafür hat, dass die xxx auch kurzfristig – in Insolvenz fallen könnte. Sie wies daraufhin dass durch den Insolvenzvorgang – einschließlich Maßnahmen der vorläufigen Massensicherung – die Abwicklung dieses Vertrages behindert oder unmöglich wird. Die Parteien bestanden trotz all dem auf sofortiger Beurkundung.”

Die Notarin xxx zahlte an den Beklagten am 21.06.2007 einen Betrag in Höhe von 10.508,38 EUR aus. Am 04.09.2007 eröffnete das Amtsgericht Charlottenburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Die Insolvenzmasse reicht nicht aus, um alle Gläubiger zu befriedigen. Der Kläger erklärte am 09.04.2009 die insolvenzrechtliche Anfechtung gegenüber dem Beklagten.

Mit seiner ursprünglich beim Landgericht Berlin erhobenen Klage begehrt der Kläger die Rückgewährung der erhaltenen 10.508,38 EUR zur Insolvenzmasse. Der Rechtsstreit wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Kammergerichts vom 19.4.2011 an das Arbeitsgericht Berlin verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 6.3.2012 stattgegeben. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf die Gründe des Urteils des LG Berlin vom 20.9.2010 eine nach § 129 Abs. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung bejaht. Der Anspruch sei auch nicht aufgrund tariflicher Ausschlussfristen erloschen. Unabhängig von der Frage, ob tarifliche Ausschlussfristen auf den Rückgewähranspruch Anwendung finden, habe der Beklagte auch nicht dargelegt; dass die von ihm herangezogene Ausschlussfrist des § 13 des Rahmentarifvertrags für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes (im Folgenden: RTV-Angestellte) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand. Der Beklagte könne sich angesichts der Belehrung zu Ziff. 8 der notariellen Urkunde vom 14.2.2007 auch nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen.

Gegen das ihm am 21.5.2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte mit beim Landesarbeitsgericht am 20.6.2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am 23.7.2012 (einem Mon...

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