Leitsatz
1. Landeszuweisungen an eine Gemeinde zur Errichtung einer Anlegebrücke für den öffentlichen Fährverkehr sind kein Entgelt, wenn sie nicht für eine Leistung der Gemeinde, sondern aus strukturpolitischen Gründen zur Förderung der Verkehrsinfrastruktur gezahlt werden.
2. Für die Unternehmereigenschaft ist nicht erforderlich, dass eine Tätigkeit auf die Erzielung von Gewinnen gerichtet ist; ein typisch unternehmerisches, marktübliches Verhalten ist auch im Verlustfall unternehmerisch.
3. Bei Eingangsleistungen, die ausschließlich in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen stehen, ist die Art der Finanzierung (durch Einnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit oder durch Zuschüsse) für die Feststellung, ob ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, ohne Belang.
4. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts unterhält umsatzsteuerrechtlich nur ein einziges Unternehmen, so dass in dem ihr gegenüber zu erlassenden Umsatzsteuerbescheid all ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten zu erfassen sind.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 2b, § 10 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2, Art. 13, Art. 73 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 118 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine kreisangehörige Gemeinde. Vom Gebiet der Klägerin aus kann man über eine Anlegebrücke eine Anlegestelle für Fährschiffe einer von der X-GmbH betriebenen Fährlinie erreichen. Die Fährlinie ist Teil des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und verfügt über weitere Anlegestellen in einer kreisfreien Stadt (A) sowie in mehreren anderen kreisangehörigen Gemeinden der Region.
In den Jahren 2012 und 2013 ließ die Klägerin für die marode alte Anlegebrücke eine neue Anlegebrücke für einen siebenstelligen Betrag errichten und überließ die neue Anlegebrücke der X-GmbH auf unbestimmte Zeit gegen Entgelt im Rahmen eines privatrechtlichen Infrastruktur-Nutzungsvertrags. Das marktübliche Nutzungsentgelt betrug X.XXX EUR pro Jahr zuzüglich USt.
Um die für die Errichtung der Anlegebrücke notwendigen Land- und Wasserflächen nutzen zu können, schloss die Klägerin mit D im Jahr 2012 einen Nutzungsvertrag über die erforderlichen Flächen. Die Überlassung erfolgte kostenlos; die Entgeltfreiheit setzte nach § 19 des Vertrags voraus, dass die Anlagen kostenlos von der Öffentlichkeit genutzt werden dürfen.
Die Kosten für die neue Anlegebrücke sollten durch Zahlungen der landeseigenen Z-GmbH (Landeszuweisung), des Landkreises K (Kreiszuweisung), der Stadt A (städtische Zuweisung) sowie durch Eigenmittel der Klägerin finanziert werden.
Auf Antrag der Klägerin bewilligte die Z-GmbH eine Landeszuweisung in sechsstelliger Höhe. Die Z-GmbH hielt die Maßnahme zur Steigerung der Attraktivität und zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse des ÖPNV für erforderlich. Weitere Mittel wurden bewilligt, nachdem das FA der Klägerin den Vorsteuerabzug verwehrt hatte.
K bewilligte eine Kreiszuweisung (ebenfalls in sechsstelliger Höhe) für den Abbruch und die Erneuerung der Anlegebrücke. Der Bescheid nahm u.a. auf die Mitfinanzierung durch die Z-GmbH und die Stadt A Bezug. Die Zuschussbewilligung sollte unwirksam werden, wenn mit der Maßnahme nicht innerhalb eines halben Jahres begonnen worden ist. Sollte die Finanzierung des Projekts nicht zustande kommen oder die Stadt A oder die Klägerin von dem zwischen ihnen geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag zurücktreten, waren von K bereits gezahlte Mittel unverzüglich zurückzuerstatten.
Die städtische Zuweisung der Stadt A in ebenfalls sechsstelliger Höhe fußte auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Stadt A und der Klägerin.
Im Streitjahr erhielt die Klägerin eine Kreiszuweisung sowie eine Landeszuweisung.
Die Klägerin ging davon aus, dass sie die Vorsteuern für die zur Errichtung der Anlegebrücke bezogenen Leistungen voll geltend machen könne. Die mit den Eingangsleistungen in direktem und unmittelbarem Zusammenhang stehende Ausgangsleistung sei die steuerpflichtige Vermietung der Anlegebrücke an die X-GmbH. Die Landeszuweisung und die Kreiszuweisung seien keine Entgelte von dritter Seite, sondern nicht steuerbare ("echte") Zuschüsse.
Nach einer Außenprüfung bei der Klägerin vertrat der Prüfer die Auffassung, die Anlegebrücke sei ein dem Gemeingebrauch gewidmetes Bauwerk. Wegen des niedrigen Kostendeckungsgrads von unter X % komme der Vermietung gegen Entgelt an die X-GmbH nur eine geringe Bedeutung zu. Ein Vorsteuerabzug für die zu über 90 % nichtwirtschaftlichen Zwecken dienende Brücke komme nicht in Betracht. Das FA folgte der Auffassung des Prüfers. Mit Einspruchsentscheidung vom 19.3.2014 wegen USt für April 2013 ließ das FA den Vorsteuerabzug mit einem geringfügig höheren Prozentsatz zu und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Es nahm an, es handle sich bei der Anlegebrücke um ein gemischt genutztes Wirtschaftsgut. Die Vorsteuer sei aufzuteilen, wobei der Anteil der nicht abzugsfähigen Vorsteuer z...