Leitsatz
1. Die langfristige Vermietung von als Campingplätze erschlossenen Grundstücken ist nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG von der Umsatzsteuer befreit.
2. § 4 Nr. 12 S. 2 UStG verletzt nicht Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der 6. EG-RL.
Normenkette
§ 4 Nr. 12 S. 2 UStG, Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt einen Campingplatz, den sie in den Streitjahren 1994 bis 1997 erweitert hatte. Sie behandelte die Umsätze aus der Vermietung der Standplätze als steuerpflichtig und zog die mit der Erweiterung angefallenen Vorsteuern ab.
Das FA vertrat die Auffassung, die Umsätze aus der langfristigen Vermietung von Standplätzen seien nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei. Es versagte deshalb anteilig den Vorsteuerabzug.
Das FG gab der Klage statt: Zwar sei nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG die Überlassung eines Standplatzes für die Dauer von mehr als 6 Monaten steuerfrei. Die Klägerin könne sich aber unmittelbar auf Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der 6. EG-RL berufen, wonach die Vermietung von Campingplätzen generell von der Steuerbefreiung ausgenommen sei (Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.02.2006, 16 K 5/05, Haufe-Index 1587689).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte Erfolg. Der BFH vertrat unter Hinweis auf das Urteil des EuGH in der Rs. Blasi die aus dem Leitsatz ersichtliche Rechtsauffassung.
Hinweis
1. Nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken steuerfrei. Nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG sind u.a. nicht befreit die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, und die kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen.
Es ist unumstritten, dass im Umkehrschluss aus dieser Vorschrift nach deutschem Recht die langfristige Vermietung auf Campingplätzen steuerfrei ist.
2. Umstritten ist allein, ob diese Regelung des nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang steht.
Nach Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der 6. EG-RL befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme von der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf als Campingplätze erschlossenen Grundstücken.
Diesem Wortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass die Ausnahme, also die Steuerpflicht, nur bei einer kurzfristigen Vermietungauf Campingplätzen bestehen soll.
3. Aufschlussreich für die Auslegung des Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der 6. EG-RL ist das EuGH-Urteil vom 12.02.1998, Rs. C-346/95 – Blasi – (Haufe-Index 60657). Danach kann die Bestimmung dahingehend ausgelegt werden, dass die kurzfristige Beherbergung von Fremden als Gewährung von Unterkunft in Sektoren mit einer ähnlichen Zielsetzung wie das Hotelgewerbe besteuerbar ist. Der EuGH hat die Dauer der Beherbergung als ein geeignetes Kriterium für die Unterscheidung zwischen der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe als steuerpflichtigem Umsatz und der Vermietung von Wohnräumen als befreitem Umsatz angesehen.
Er hat den Mitgliedstaaten einen weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt bei der Definition der Gewährung von Unterkunft, die abweichend von der grundsätzlichen Befreiung steuerpflichtig ist. Er hat in Rz. 22 in der Rs. Blasi ausgeführt, es sei "Sache der Mitgliedstaaten, bei der Umsetzung des Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der 6. EG-RL die ihnen für diese Unterscheidung geeignet erscheinenden Kriterien festzulegen".
Daraus, dass der EuGH hier uneingeschränkt auf die Nr. 1 insgesamt verweist, kann man ableiten, dass sich der weite Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten nicht nur auf die Definition der Unterkunft mit einer ähnlichen Zielsetzung wie das Hotelgewerbe, sondern auch auf Ferienlager und Campingplätze erstrecken soll.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.02.2008, XI R 51/06