Rz. 53
Die Pflicht zur Bilanzierung steuerlicher Verlustvorträge ergibt sich aus § 274 Abs. 1 Satz 4 HGB. Dabei erfolgt eine Begrenzung der Verlustverrechnung auf einen Zeitraum von 5 Jahren lt. Wortlaut des Gesetzes. Somit dürfen lediglich aktive latente Steuern auf steuerliche Verlustvorträge in Höhe der erwarteten Verlustverrechnung aktiviert werden. Darüber hinaus vorhandene steuerliche Verlustvorträge unterliegen einem Ansatzverbot.
Rz. 54
Das Vorhandensein von steuerlichen Verlustvorträgen resultiert aus Verlusten aus Vorjahren. Insofern weist das bilanzierende Unternehmen eine gewisse Verlusthistorie auf. Um nun latente Steuern auf Verlustvorträge aktivieren zu können, sind aber zu erwartende Gewinne nötig. Insofern bedarf es einer Nachweisführung, dass das Unternehmen in der Lage ist, nachhaltig die Verlustsituation zu überwinden und Gewinne zu erwirtschaften.
Rz. 55
Basieren historische Verluste auf dedizierten Ursachen aufgrund außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle, einmaliger Ereignisse oder sonstiger ungewöhnlicher Effekte, ist eine Nachweisführung dahingehend geboten, die Wahrscheinlichkeit eines Wiedereintretens abzuschätzen.
Rz. 56
Basieren historische Verluste auf einer allgemeinen Geschäftsentwicklung, auf Struktur-, Prozess- oder Organisationsversäumnissen, sind über Planungsrechnungen entsprechende Nachweise zu führen, dass eine positive Geschäftsentwicklung gegeben ist. Die Planungsrechnung soll die realistische Unternehmensentwicklung widerspiegeln, ist aber auf Basis des Grundsatzes des Vorsichtsprinzips gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB zu erstellen.
Rz. 57
Zur Ermittlung der aktivierungsfähigen steuerlichen Verlustvorträge müssen die erwarteten Gewinne der nächsten 5 Jahre bekannt sein. Dies bedarf einer steuerlichen Planungsrechnung, die alle erwarteten Steuereffekte abbildet. Üblicherweise wird die steuerliche Planungsrechnung aus der Unternehmensplanung des Controllings abgeleitet und um steuerlich spezifische Sachverhalte erweitert. Dabei ist darauf zu achten, dass die Planungen im Einklang mit der bisherigen Unternehmensentwicklung stehen. Dies ist besonders dann wichtig, wenn sich die Verluste durch die Geschäftsentwicklung aufgebaut haben. Die steuerliche Planungsrechnung ist im Sinne einer rollierenden Planung jährlich fortzuschreiben und ggf. anzupassen. Durch die vorliegenden neuen Planungen ergibt sich zum jeweiligen Bilanzstichtag die Möglichkeit, bisher nicht berücksichtigte Verlustvorträge anzusetzen, da das Stichtagsprinzip gilt.
Rz. 58
Neben der Fortschreibung der steuerlichen Planungsrechnung sind weiterführende steuerliche Effekte zu berücksichtigen. Zu nennen ist hier in erster Linie die Mindestbesteuerung. § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 10d Abs. 2 EStG beschränkt die unbegrenzte Verrechnung von ertragssteuerlichen Verlustvorträgen nur bis 1 Mio. EUR. Eine darüberhinausgehende Nutzung von Verlustvorträgen ist nur zu 60 % möglich. Analoges gilt für die Nutzung von gewerbesteuerlichen Verlustvorträgen gem. § 10a GewStG.
Rz. 59
Fallen Verluste bei ausländischen Betriebsstätten an, sind neben der Anwendung des ausländischen Steuersatzes weitere steuerliche Besonderheiten zu berücksichtigen. Dies betrifft in erster Linie Verfallsfristen sowie zeitliche und inhaltliche Beschränkungen bezüglich der Nutzung von Verlustvorträgen.
Rz. 60
Steuerliche Verlustvorträge sind nach Steuerart rechtsformspezifisch zu betrachten. Während Kapitalgesellschaften sowohl Körperschaft- als auch Gewerbesteuer zu aktivieren haben, beschränkt sich die Aktivierung bei Personengesellschaften auf die Gewerbesteuer, da die Einkommensteuer aufgrund der Mitunternehmereigenschaft der Gesellschafter auf Ebene der Gesellschafter erhoben wird.
Rz. 60a
Ein Sonderfall der Bilanzierung von Verlustvorträgen sind Verluste bei Personengesellschaften. Diese sind auf der Gesellschafterebene nach § 15a EStG zu beurteilen. Dabei dürfen die einem Gesellschafter zugewiesenen Verluste nicht mit anderen Verlusten verrechnet werden, sodass die Verluste ausschließlich mit künftigen Gewinnen kompensiert werden können. Dabei ist der Saldo des steuerlichen Einlagenkontos der Gesellschafter bei der Personengesellschaft zu berücksichtigen. Latente Steuern sind dann aus den handelsrechtlichen Wertansätzen auf der Gesellschafterebene dem steuerlichen Einlagenkonto gegenüberzustellen, wobei negative Einlagen nicht berücksichtigt werden.
Rz. 61
Verfallen steuerliche Verlustvorträge ganz oder teilweise, sind aktivierte Verlustvorträge auszubuchen. Der Verfall kann zeitliche Ursachen haben (Verfallsfristen), kann aber auch durch andere, z. T. außerhalb des Unternehmens liegende Ursachen, bedingt werden. Der Standardfall externer Ursachen ist der Gesellschafterwechsel gem. § 8c KStG. Demnach verfallen Verlustvorträge quotal bei einem Gesellschafterwechsel von 25 % – 50 % der Anteile an dem Unternehmen. Wechseln mehr als 50 % der Anteile den Gesellschafter, geht der komplette Verlustvortrag unter und ist auszubuchen.