1 Einleitung
Rz. 1
Die Vorschriften zur Bilanzierung latenter Steuern wurden erstmalig mit dem BiRiLiG vom 19.12.1985 eingeführt. Konzeptionell basierten diese Vorschriften auf dem Timing-Konzept. Mit dem BilMoG vom 25.5.2009 erfuhr die bis dahin übliche Praxis zur Bilanzierung latenter Steuern eine erhebliche Überarbeitung. Zum einen erfolgte eine Abkehr von dem Timing-Konzept hin zur international üblichen Temporary-Methode, zum anderen erfolgte eine Entkopplung des Steuerrechts vom Handelsrecht in Form der Modifikation der handelsrechtlichen Maßgeblichkeit und der Abschaffung der umgekehrten handelsrechtlichen Maßgeblichkeit.
Rz. 2
Durch die vom Gesetzesgeber vorgenommenen Änderungen erfolgte im Endeffekt eine Angleichung an die international übliche Praxis der Bilanzierung latenter Steuern wie sie bereits seit den 1960er-Jahren verpflichtend in den US-GAAP anzuwenden sind. Damit ist die Behandlung und Bilanzierung latenter Steuern in deutschen Jahres- und Konzernabschlüssen deutlich aufgewertet worden.
2 Rechtsgrundlagen
2.1 Normenzusammenhang
Rz. 3
Kodifiziert ist die handelsrechtliche Bilanzierung latenter Steuern im Wesentlichen in den §§ 274 und 306 HGB. Dabei erfolgt eine Rollenteilung beider Paragraphen. § 274 HGB beinhaltet die wesentlichen Vorschriften zur Bilanzierung latenter Steuern, wie sie im Einzelabschluss eines Unternehmens anzuwenden sind. Darauf aufbauend enthält § 306 HGB weiterführende Vorschriften zur Bilanzierung latenter Steuern in Konzernabschlüssen. Ergänzt werden diese 2 Kernvorschriften um weitere Anwendungsvorschriften, die wie folgt dargestellt sind:
Rz. 4
Neben den Vorschriften des HGB haben kapitalmarktorientierte Unternehmen auch die Regelungen des DRS zu beachten. DRS 18 konkretisiert die Rechnungslegung zu den latenten Steuern und beinhaltet auch Regelungen zu Themenbereichen, auf die im HGB nicht explizit eingegangen wird.
Rz. 4a
Eine Erweiterung der Bilanzierung von latenten Steuern bei Personengesellschaften erfolgte mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftssteuerrechts (KöMoG). Aufgrund der den Personengesellschaften eingeräumten Wahlrechte können sich Verschiebungen der Bilanzierung von latenten Steuern zwischen der Gesellschafter- und der Gesellschaftsebene ergeben.
Rz. 4b
Mit der Einführung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung (MinStG) hat sich der Berichts- und Offenlegungsumfang für latente Steuern im Jahres- als auch Konzernabschluss erweitert. Auch wenn die Anwendung des MinStG seinen Ursprung in international agierenden Konzernen ihren Ursprung hat, entfalten die Vorschriften des MinStG ihre Wirkung auf die Erstellung von Jahres- als auch Konzernabschlüssen. Vorerst ist die Wirkung von Differenzen aus der Berechnung der latenten Steuern sowohl nach HGB als auch IFRS aber ausgenommen (Rz. 42a).
2.2 Anwendungsbereich
Rz. 5
Die Bilanzierung latenter Steuern ist rechtsformspezifisch zu betrachten.
Rz. 6
Die Bilanzierungspflicht latenter Steuern erstreckt sich generell auf mittelgroße und große Kapitalgesellschaften. Kleine Gesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB sind von der Pflicht zur Bilanzierung latenter Steuern gem. § 274a Nr. 4 HGB befreit. Aufgrund des für sie bestehenden Anwendungswahlrechts können sie allerdings freiwillig latente Steuern bilanzieren. Gleiches gilt für KapCo-Gesellschaften und KleinstKapG.
Rz. 7
Von der Bilanzierungspflicht ausgeschlossen sind Personengesellschaften (offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften), da sich die Bilanzierungspflicht primär nur auf Kapitalgesellschaften erstreckt. Allerdings kann sich eine Bilanzierungspflicht für Personengesellschaften aus § 264a Abs. 1 HGB ergeben. Dies ist dann der Fall, wenn bei der Personengesellschaft keine natürliche Person, weder direkt noch indirekt über eine weitere Personengesellschaft, als Gesellschafter persönlich haftet. Analog zu den Vorschriften für Kapitalgesellschaften greifen hier dann auch wieder die Befreiungsvorschriften für kleine Personengesellschaften.
Mit der Einführung des § 1a KöMoG besteht nun auch die Möglichkeit für Personengesellschaften, sich für eine Besteuerung nach dem KöStG zu entscheiden. Durch die Ausübung dieser Option verlagert sich die Ertragsbesteuerung von der Ebene der Gesellschaft...