Leitsatz
Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Fällt die Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers (sog. Hausanschluss) durch ein Wasserversorgungsunternehmen gegen gesondert berechnetes Entgelt unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" i.S.d. 6. EG-RL (Anhang D Nr. 2 und Anhang H Kategorie 2)?
Normenkette
§ 2 Abs. 3 Satz 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL i.V.m. Anhang D Nr. 2, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie 2
Sachverhalt
Der Kläger, ein Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung, beliefert Kunden mit Wasser und legt – gegen Kostenerstattung – Hausanschlüsse, d.h. er verbindet sein Wasser-Verteilernetz mit der jeweiligen Anlage des Grundstückseigentümers. Diese Hausanschlussleitungen bleiben im Eigentum des Klägers.
Der Kläger beurteilte Letzteres als Teil der Wasserlieferung; das FA berief sich für seine Auffassung auf das BMF-Schreiben. Das FG gab dem Kläger Recht.
Entscheidung
Die Entscheidung des EuGH bleibt abzuwarten. Halten Sie die entsprechenden Fälle offen.
Hinweis
1. Die "Lieferung von Wasser" unterliegt nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG dem ermäßigten Steuersatz von 7 %. Ob die Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Hauseigentümers durch ein Wasserversorgungsunternehmen gegen gesondert berechnetes Entgelt noch zur Wasserlieferung zählt oder nicht, ist Gegenstand des Rechtsstreits. Die Finanzverwaltung hat insoweit ihre Auffassung mit dem BMF-Schreiben vom 4.7.2000 (BStBl I 2000, 1185) geändert. Die Frage wird aber auch – wie eine informelle Anfrage des dem Verfahren beigetretenen BMF ergeben hat – in den Mitgliedstaaten unterschiedlich beantwortet. Als Teil der Wasserlieferung hat der Österreichische Verwaltungsgerichtshof das Legen von Hausanschlüssen auch dann beurteilt, wenn dafür ein gesondertes Entgelt entrichtet wurde (vgl. Erkenntnis vom 19.3.2000, Zl 97/14/0133-7, Internationales Steuerrecht 2002, 424, m. Anm. Klenk). Der BFH hat angedeutet, dass er diese Auffassung – vorbehaltlich der Entscheidung des EuGH – für zutreffend hält.
2. Die "Lieferung von Wasser" wird in der 6. EG-RL in zwei Artikeln erwähnt:
a) Nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Einrichtungen, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist. In Anhang D Nr. 2 sind u.a. "Lieferungen von Wasser" genannt. Fraglich ist, ob das Legen der Hausanschlüsse gegen gesondert berechnetes Entgelt unter diesen Begriff fällt.
b) Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a 3. Abs. der 6. EG-RL können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden, dies aber für Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien. Kategorie 2 des Anhangs H erfasst "Lieferungen von Wasser".
Die Frage, ob das Legen von Hausanschlüssen zur Wasserlieferung zählt, betrifft deshalb die Auslegung beider Artikel. Zum Begriff der "Lieferung von Wasser" hat der EuGH noch nicht entschieden und deshalb war die Vorlage erforderlich.
3. Zählt – gemeinschaftsrechtlich – das Legen der Hausanschlüsse gegen gesondertes Entgelt nicht zur "Lieferung von Wasser" und ist deshalb Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nr. 2 der 6. EG-RL nicht anwendbar, kommt es darauf an, ob die öffentlich-rechtliche Körperschaft bei dieser Tätigkeit gem. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 der 6. EG-RL als Unternehmer (Steuerpflichtiger) gehandelt hat (vgl. dazu z.B. EuGH, Urteile vom 17.10.1989, Rs. 231/87 und 129/88, ufficio distrettuale delle imposte dirette di fiorenzuola d"arda, Slg. 1989, 3233, UR 1991, 77; BFH, Urteil vom 27.2.2003, V R 78/01, BFH-PR 2003, 350). Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn sie z.B. aufgrund einer Satzung und in den Formen des öffentlichen Rechts tätig ist.
Nach deutschem Recht zählen zu den Betrieben gewerblicher Art öffentlich-rechtlicher Körperschaften (§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG) nach § 4 Abs. 3 KStG Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung u.a. mit Wasser dienen. Darunter kann auch das Legen der Hausanschlüsse fallen.
Von der Entscheidung des EuGH hängt deshalb – je nach Fallgestaltung – nicht nur ab, welcher Steuersatz anzuwenden ist, sondern auch, ob die Körperschaft "als Steuerpflichtiger"/als Unternehmer handelt. Ist die gemeinschaftsrechtliche Regelung günstiger, kann sich der Steuerpflichtige, nicht aber das FA darauf berufen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 3.11.2005, V R 61/03