Leitsatz
Wurde in einem Versicherungsvertretervertrag vereinbart, dass eine mit Beiträgen des Versicherungsunternehmens aufgebaute Alters- und Hinterbliebenenversorgung (Lebensversicherung) auf den Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1, Abs. 5 HGB angerechnet werden soll, richtet sich die steuerrechtliche Behandlung einer Kapitalzahlung, die aufgrund des Lebensversicherungsvertrags nach Erreichen der Altersgrenze geleistet wird, nach den für die Einkünfte aus Kapitalvermögen geltenden Vorschriften. Der Umstand, dass die Kapitalzahlung an die Stelle des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB tritt, rechtfertigt es nicht, sie den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 EStG, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2002 i.d.F. 2004, § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG 2002 i.d.F. 2007, § 7 GewStG, § 89b HGB
Sachverhalt
Der Kläger betrieb seit 1981 eine selbstständige Agentur für zwei Versicherer, für die er den Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelte. Nach den Vertreterverträgen sollte er eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung durch zwei Lebensversicherungsverträge erhalten, die im Todesfall oder bei Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren eine Kapitalzahlung vorsahen. Ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB sollte aus Billigkeitsgründen insoweit nicht entstehen, als er Leistungen aus der Alters- und Hinterbliebenenversorgung schon erhalten oder noch zu erwarten habe. Falls aufgrund einer Rechtsprechungs- oder Gesetzesänderung die Versorgung nicht bei der Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen sein sollte, sollte die Versorgungszusage insoweit entfallen. Die von den Versicherungsunternehmen geleisteten Lebensversicherungsbeiträge erfasste der Kläger als Betriebseinnahmen.
Zum 30.6.2007 gab der Kläger seine Tätigkeit nach dem Erreichen der Altersgrenze auf. Er erklärte für 2007 laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 36.034 EUR und einen Aufgabegewinn von 6.922 EUR. Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB belief sich nach den vereinbarten Anrechnungen auf 4.063 EUR. Die Zahlungen aufgrund der Lebensversicherungsverträge fanden in den Steuererklärungen keinen Niederschlag.
Das FA behandelte die Zahlungen aus den Lebensversicherungsverträgen als Ausgleichszahlung nach § 89b HGB; von den Rückkaufwerten der Lebensversicherungen zog es die von den beiden Versicherungsunternehmen sowie vom Kläger geleisteten Beiträge ab und unterwarf den Differenzbetrag von 77.565 EUR der Besteuerung.
Die Klage hatte Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 10.4.2014, 10 K 243/12, Haufe-Index 7051553, EFG 2014, 1310).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil im eigentlichen Streitpunkt, dass die Leistungen der Lebensversicherungen steuerlich nicht als Handelsvertreterausgleichsanspruch "umgedeutet" werden können. Das FG-Urteil wurde jedoch aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, weil das FG die (2007 noch gewinnmindernde) Gewerbesteuerrückstellung nicht korrigiert hatte, die das FA im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch von 118.360 EUR statt nur 4.063 EUR gebildet hatte.
Hinweis
1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Ausgleichszahlungen nach § 89b Abs. 1 HGB, die ein Handels- oder Versicherungsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhält (§ 24 Nr. 1 Buchst. c EStG). Der Ausgleichsanspruch muss der Billigkeit entsprechen und kann nicht im Voraus ausgeschlossen werden. Zivilrechtlich verboten sind auch im Voraus getroffene Abreden, durch die der Ausgleichsanspruch im Ergebnis eingeschränkt wird.
Ob eine mit Mitteln des Unternehmers aufgebrachte Altersversorgung bei der Bemessung des Ausgleichs nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB a.F. aus Billigkeitsgründen zu berücksichtigen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Nachträgliche Vereinbarungen über die Anrechnung einer Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch werden jedoch vom Schutzzweck des § 89b Abs. 4 HGB nicht erfasst.
2. Der Kläger erhielt eine Ausgleichszahlung von nur 4.063 EUR, da die beiden Versicherungsunternehmen für ihn laufende Lebensversicherungsbeiträge geleistet hatten und die Zahlungen der Lebensversicherungen auf den Ausgleichsanspruch angerechnet wurden. Die Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen sind keine Ausgleichszahlungen nach § 89b HGB und waren daher auch nicht in der Aufgabebilanz zu aktivieren.
Dem steht nicht entgegen, dass der Anspruch des Klägers auf die Altersversorgung im Wesentlichen an die Stelle des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB getreten ist. Da beide Vertragsparteien übereinstimmend der Ansicht waren, dass dem Kläger jedenfalls kein den Betrag von 4.063 EUR übersteigender Ausgleichsanspruch zustehen sollte, war unerheblich, ob ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB von vornherein nicht entstand, soweit er die Ansprüche des Klägers aus der Altersversorgung nicht überstieg.
3. Der Surrogationscharakter der Altersversorgung führt nicht dazu, dass die entsprechenden Ansprüche des Klägers dem Betriebsvermögen zuzuordnen sind. Die...