Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gehören bei der Veräußerung eines Grundstücks an eine Gesellschaft nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes auch Leistungen eines Dritten an den Grundstücksveräußerer für den Erwerb von Anteilen an der künftig grundbesitzenden Gesellschaft, wenn der Hauptzweck dieser Leistungen darin besteht, den Grundstücksveräußerer zur Übertragung des Grundstücks an die Gesellschaft zu veranlassen.
2. Es liegt grunderwerbsteuerrechtlich keine Doppelbesteuerung vor, da es sich bei dem Grundstücks- und Anteilserwerb um verschiedene Erwerbsvorgänge handelt.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 8 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4 GrEStG, § 133, § 157 BGB
Sachverhalt
Die A‐GmbH erwarb mit Vertrag vom 22.12.2014 alle Anteile der Klägerin, einer GmbH. Mit Vertrag ebenfalls vom 22.12.2014 übertrug die A‐GmbH das Eigentum an einer Gewerbeimmobilie (Objekt B) an die Klägerin. Die Vertragsparteien gingen übereinstimmend von einem Grundstückswert i.H.v. 42.200.000 EUR aus. Für die Übertragung stand der A‐GmbH gegenüber der Klägerin ein Zahlungsanspruch i.H.v. 6.330.000 EUR zu, der sofort fällig war. Die A‐GmbH stundete den fälligen Zahlungsanspruch als verzinsliches Darlehen nach Maßgabe eines Gesellschafterdarlehensvertrags. I. H. v. 35.870.000 EUR, was dem Differenzbetrag zwischen dem Grundstückswert und dem vereinbarten Zahlungsanspruch entsprach, erfolgte die Übertragung als freiwillige Zuzahlung in die freie Kapitalrücklage der Klägerin.
Dem Übertragungsvertrag vorangegangen war am 8.12.2014 der Abschluss eines Anteilskauf- und Übertragungsvertrags (Anteilskaufvertrag) in Bezug auf die Anteile der Klägerin zwischen der A‐GmbH als Verkäuferin sowie der C‐AG und der D‐GmbH jeweils als Käuferinnen. Die Käuferinnen beabsichtigten, das Objekt B zu erwerben. Die Vertragsbeteiligten gingen von einem Grundstückswert i.H.v. 42.200.000 EUR aus. Sie vereinbarten, dass die A‐GmbH an die C‐AG 94,9 % der noch zu erwerbenden Anteile an die Klägerin für einen Kaufpreis von 34.064.355 EUR verkauft und abtritt. Im Hinblick auf die verbleibenden 5,1 % der Anteile an der Klägerin vereinbarte die A‐GmbH mit der D‐GmbH die Abtretung für einen Kaufpreis von 1.830.645 EUR. Die Abtretung der Gesellschaftsanteile sollte aufschiebend bedingt sein durch die Zahlung des Kaufpreises und den Eintritt der Vollzugsbedingungen. Diese Vereinbarungen verlangten unter anderem, dass die Klägerin als Eigentümerin des Objekts B im Grundbuch eingetragen war oder zumindest der Notar bestätige, dass die Eintragung beantragt war und dieser keine Hindernisse entgegenstanden. Darüber hinaus veräußerte die A‐GmbH der C‐AG ihren Rückzahlungsanspruch aus dem noch zu gewährenden Gesellschafterdarlehen an die Klägerin i.H.v. 6.330.000 EUR. Nach Ziff. 3 des Anteilskaufvertrags erfolgte die Umstrukturierung auf Wunsch der C‐AG und der D‐GmbH. Dafür hatten die C‐AG und die D‐GmbH einen "Umstrukturierungsbeitrag" zur Deckung der anfallenden GrESt und anderer Kosten zu erbringen. Sofern der Anteilskaufvertrag nicht vollzogen oder rückabgewickelt würde, verpflichtete sich die A‐GmbH, die Grundstücksübertragung rückabzuwickeln und entsprechende Anträge auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung zu stellen. Ein nicht verbrauchter Umstrukturierungsbeitrag sollte erstattet werden.
Das FA setzte gegen die Klägerin für den Erwerb des Objekts B von der A‐GmbH vom 22.12.2014 GrESt i.H.v. 2.532.000 EUR fest. Es war der Auffassung, dass neben dem Kaufpreis i.H.v. 6.330.000 EUR ein Betrag i.H.v. 35.870.000 EUR als Gegenleistung zu berücksichtigen sei, weil es sich dabei um eine Leistung der C‐AG und D‐GmbH i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG handele.
Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Hessisches FG, Urteil vom 17.6.2020, 5 K 2191/15, Haufe-Index 14099642).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Bemessungsgrundlage der GrESt ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung für das Grundstück. Dies ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Kaufpreis. Zum Kaufpreis gehört alles, was der Käufer vereinbarungsgemäß an den Verkäufer leisten muss, um den Kaufgegenstand zu erhalten. Auch Leistungen Dritter fallen gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG in die Bemessungsgrundlage, wenn diese als Gegenleistung dafür gewährt werden, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt.
2. Hiervon zu unterscheiden ist der Grundsatz, dass auch ein im Verhältnis zum Grundstückswert niedriger Kaufpreis als Gegenleistung nach § 8 Abs. 1 GrEStG anzusehen ist. Ein rein "symbolischer" Kaufpreis, bei dem sich die Bemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG nach den Vorschriften des BewG bestimmt, liegt nur vor, wenn der vereinbarte Kaufpreis in einem krassen Missverhältnis zu dem Grundstückswert steht. Dies war vorliegend nicht der Fall.
3. Für die Bestimmung der Gegenleistung ist nicht maßgebend, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, ...