Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.1 Sachverhalt
Die Euro-Versicherung E mit Sitz in Frankfurt/Main ist europaweit als Versicherungsgesellschaft tätig. Da sie sich insbesondere auf Betriebsversicherungen spezialisiert hat, nimmt sie regelmäßig an Industriemessen in Europa teil. Um den eigenen Aufwand möglichst gering zu halten, bucht sie regelmäßig umfangreiche Messedienstleistungen von dem am Veranstaltungsort ansässigen Messeveranstalter, um nur noch mit ihrem Werbematerial und Mitarbeitern anreisen zu müssen.
Im Januar 2019 nimmt die E sowohl an einer Messe in Rom (Italien) als auch an einer Messe in Zürich (Schweiz) teil. E ist jeweils vertraglich zur Zahlung von 20.000 EUR gegenüber den Veranstaltern verpflichtet.
3.2 Fragestellung
Die E möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich für sie aus der Teilnahme an den beiden Messen ergeben.
Als Unternehmerin verwendet die E grundsätzlich die ihr in Deutschland erteilte USt-IdNr.
3.3 Lösung
E ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da sie Leistungen selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht ausführt. Mit den Leistungen im Bereich der Versicherung wird sie auch im Rahmen ihres Unternehmens tätig.
Die Veranstalter erbringen gegenüber E sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9 UStG gegen Entgelt. Da die E umfangreiche Messedienstleistungen in Anspruch nimmt, ist davon auszugehen, dass es sich nach Abschn. 3a.4 Abs. 2 UStAE um eine einheitliche Veranstaltungsleistung handelt, deren Ort sich grundsätzlich nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG richtet.
Die Leistung, die im Zusammenhang mit der Messe in Rom gegenüber E ausgeführt wird, ist damit in Deutschland (Sitz der E) nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Eine Steuerbefreiung nach § 4 UStG ist nicht anzuwenden. Da die Leistung durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer ausgeführt wird, wird die E zur Steuerschuldnerin für die ihr gegenüber ausgeführte Leistung. Der leistende Unternehmer darf in der Rechnung an die E keine Umsatzsteuer gesondert ausweisen. Die Rechnung, die der Veranstalter der E erteilen muss, ist nach italienischen Recht auszustellen, obwohl es sich um eine in Deutschland steuerbare Leistung handelt.
Abweichende steuerliche Behandlung im Ursprungsland kann auf Deutschland übertragen werden
Ist nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die Messe stattfindet, der Ort der Leistung nach anderen Kriterien bestimmt worden und hat dies dort zur Entstehung von Umsatzsteuer geführt, wird es von der deutschen Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn der Rechtsauffassung des Veranstaltungslands gefolgt wird.
E muss auf den ihr in Rechnung gestellten Betrag von 20.000 EUR 19 % Umsatzsteuer berechnen, also 3.800 EUR. Sie muss diese Umsatzsteuer im Monat der Ausführung der Leistung bei ihrem Finanzamt anmelden. Da E als Versicherungsgesellschaft steuerfreie Ausgangsleistungen ausführt, ist sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. E ist damit wirtschaftlich mit 3.800 EUR Umsatzsteuer in Deutschland belastet.
Vorsteuerausschluss auch bei Zusammenhang mit Ausgangsleistungen in anderem Mitgliedstaat
Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Eingangsleistung evtl. mit in anderen Mitgliedstaaten ausgeführten Versicherungsdienstleistungen wirtschaftlich zusammenhängt. Wenn die Messedienstleistung mit einer in einem anderen Mitgliedstaat ausgeführten – und damit in Deutschland nicht steuerbaren – Leistung im Zusammenhang steht, ist der Vorsteuerabzug ebenfalls nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG ausgeschlossen, da der nicht steuerbare Ausgangsumsatz im Inland steuerfrei wäre.
Etwas anderes könnte sich nur ergeben, wenn der Leistungsempfänger der auszuführenden Versicherungsdienstleistungen im Drittlandsgebiet ansässig ist. In diesem Fall würde der Vorsteuerausschluss durch § 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG wieder rückgängig gemacht werden, so dass der E der Vorsteuerabzug für die von ihr geschuldete Umsatzsteuer zustehen würde.
Auch die Leistung, die die E im Zusammenhang mit der Messe in Zürich in Anspruch nimmt, würde grundsätzlich zu einem Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG in Deutschland führen. Da die Zuordnung des Orts der Leistung drittlandsgrenzüberschreitend nicht harmonisiert ist, bestünde hier die Gefahr der Doppelbesteuerung. Aus diesem Grund ist nach § 3a Abs. 8 Satz 1 UStG in den Fällen, in denen die Veranstaltungsleistung im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen im Drittlandsgebiet genutzt wird, diese Leistung als im Drittlandsgebiet ausgeführt zu behandeln. Damit ist die gegenüber E ausgeführte Leistung nicht in Deutschland steuerbar.
Steuerliche Behandlung im Drittstaat unerheblich
Die Anwendung des § 3a Abs. 8 Satz 1 UStG ist nicht davon abhängig, ob im Drittlandsgebiet tatsächlich Umsatzsteuer entsteht.