Leitsatz

Der Leistungsort für Testamentsvollstreckerleis­tungen richtet sich nach Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-RL (vgl. § 3a Abs. 1 UStG) (nicht amtlicher Leitsatz).

 

Normenkette

Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der 6. EG-RL (vgl. § 3a Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 3 UStG)

 

Sachverhalt

Die Kommission war der Auffassung, der Leis­tungsort für Testamentsvollstreckerleistungen richte sich nicht nach Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-RL (§ 3a Abs. 1 UStG).

 

Entscheidung

Der EuGH bestätigte die Auffassung des BFH und der Bundesregierung aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen.

 

Hinweis

1. Leistungsort für Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige erbracht werden, ist nach der 6. EG-RL der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort, wenn es sich -- u.a. -- um die „Leistungen von Beratern, Ingenieuren, Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und sonstige ähnliche Leistungen sowie die Datenverarbeitung und die Überlassung von Informationen” handelt (Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der 6. EG-RL). Das UStG ist -- nicht überraschend -- etwas anders formuliert. § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG betrifft „die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, ... Steuerberater, ... insbesondere die rechtliche, wirtschaftliche und technische Beratung”.

2. Die Regelungen zum Leistungsort (Art. 9 Abs. 2 der 6. EG-RL, vgl. § 3a Abs. 3, Abs. 4 UStG) sollen Kompetenzkonflikte vermeiden. Der EuGH hat bereits entschieden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die in Buchst. e dritter Gedankenstrich aufgeführten Berufe heranzieht, um die dort angesprochenen Arten von Leistungen zu definieren. Das bedeutet: Dann und nur dann, wenn die Tätigkeit die spezifischen Elemente der Tätigkeiten eines der bezeichneten Berufe erfüllt, kommt die Regelung in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL zur Anwendung. Die Worte „sonstige ähnliche Leistungen” beziehen sich nicht auf ein Element, das den in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich aufgeführten unterschiedlichen Tätigkeiten gemeinsam ist, sondern auf Leistungen, die irgendeiner der mit der Berufsbezeichnung umschriebenen Tätigkeiten, gesondert betrachtet, ähnlich sind. Eine Leistung ist (nur) dann einer in dieser Vorschrift aufgeführten Tätigkeit ähnlich, wenn beide Tätigkeiten dem gleichen Zweck dienen.

3. Für Testamentsvollstrecker hatte der BFH deshalb eine Ähnlichkeit mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts verneint. Denn zu den „hauptsächlich und gewöhnlich im Rahmen des Anwaltsberufs erbrachten Leistungen” gehört die Vertretung und Verteidigung der Interessen eines Mandanten. Leistungen eines Rechtsanwalts dienen vor allem der Rechtspflege, auch wenn der Anwaltstätigkeit wirtschaftliche Erwägungen nicht fremd sind. Allein die Tatsache, dass häufig Anwälte als Testamentsvollstrecker eingesetzt würden, rechtfertige nicht die Vergleichbarkeit mit der vorstehend bezeichneten spezifischen Tätigkeit eines Rechtsanwalts.

4. Diese Auffassung hat der EuGH nun -- entgegen der Auffassung der Kommission -- wie der BFH mit der Begründung bestätigt, der Testamentsvollstrecker vertrete nicht den Erblasser, sondern beschränke sich da­rauf, dessen letzten Willen zu vollstrecken, wobei er gegenüber den Empfängern der Testamentsvollstreckungsleis­tung neutral bleibe. Der Testamentsvollstrecker vertritt auch nicht die Interessen des Erblassers im eigentlichen Sinn, sondern vollzieht einen festgelegten Willen, dessen Interpret er ist, während der Rechtsanwalt im Rahmen seines Verhältnisses zum Mandanten so weit wie möglich dessen Interessen wahrzunehmen hat, was im Allgemeinen in einem Kontext der Auseinandersetzung und in Gegenwart widerstreitender Interessen stattfindet. Daraus folgt, dass die Leistung der ­Testamentsvollstreckung besonderen Charakter hat, durch den sie sich von den Leistungen unterscheidet, die „hauptsächlich und gewöhnlich” von einem Rechtsanwalt erbracht werden.

5. Auch eine ähnliche Tätigkeit liegt nicht vor: Aufgrund der beträchtlichen Verschiedenartigkeit der Aufgaben, mit denen ein Testamentsvollstrecker betraut sein kann -- von der Verwaltung eines Vermögens über die bloße Verteilung von Beträgen oder beweglichen oder unbeweglichen Sachen bis hin zur Wahrung immaterieller Interessen --, lässt sich nur schwer eine typische Form der Testamentsvollstreckungsleistung ausmachen; sie kann Verwaltungstätigkeiten, Rechtshandlungen und einen großen Fächer tatsächlicher oder rechtlicher Vorgänge umfassen. Die Leistung der Testamentsvollstreckung entspricht überwiegend einer „wirtschaftlichen Tätigkeit”, da es für den Testamentsvollstrecker in den meisten Fällen um die Bewertung und Verteilung des Vermögens des Erblassers z...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge