Leitsatz
1. Verluste einer luxemburgischen Betriebsstätte sind nach Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 DBA Luxemburg im deutschen Stammhaus auch nach Streichung von § 2a Abs. 3 EStG 1997 a. F. prinzipiell nicht abzugsfähig. Sie werden ebenso wie entsprechende Gewinne von der inländischen Besteuerungsgrundlage ausgenommen.
2. Ein phasengleicher Verlustabzug kommt abweichend davon nur ausnahmsweise in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind (Anschluss an EuGH-Urteil vom 13.12.2005, Rs. C-446/03, "Marks and Spencer", BFH/NV Beilage 2006, 117).
Normenkette
Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg, § 2a Abs. 3 EStG 1997 a.F., Art. 43, Art. 56 EG
Sachverhalt
Eine GmbH & Co. KG betrieb ihre Geschäftstätigkeit – den Handel mit und den Vertrieb von Waren – u.a. in Luxemburg über eine dort belegene Betriebsstätte und erwirtschaftete hieraus im Streitjahr 1999 einen Verlust.
Das FA lehnte den Abzug des Verlusts ab und berücksichtigte Letzteren nur im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts gem. § 32b EStG. Zur Begründung verwies es auf die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte gem. Art. 5 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 2 S. 1 DBA-Luxemburg und auf die Abschaffung von § 2a Abs. 3 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) mit erstmaliger Wirkung vom VZ 1999 an (vgl. § 52 Abs. 3 S. 2 EStG 1997 i.d.F. des StBereinG 1999 vom 22.12.1999, BGBl I 1999, 2601).
Die anschließende Klage blieb erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2004, 1 K 312/03, Haufe-Index 1210307, EFG 2004, 1694).
Entscheidung
Der BFH hatte daraufhin an den EuGH gem. Art. 234 S. 3 EG ein Vorabentscheidungsersuchen gerichtet und dem EuGH die Frage gestellt, ob sich der Verlustabzugsausschluss mit der EG-Niederlassungsfreiheit vertrage.
Das hat der EuGH bejaht. Er hat sich dabei auf die Rechtsgrundsätze zurückgezogen, die er in der Rechtssache "Marks & Spencer" aufgestellt hat: Zu berücksichtigen seien nur finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten.
Und dazu ist nun das Schlussurteil des BFH ergangen. Er hat die Sache zur Feststellung der "finalen" Verluste zurückverwiesen. Es schien nach dem EuGH-Urteil zwar festzustehen, dass der Steuerpflichtige die Verluste im Jahr 2002 in Luxemburg verrechnen konnte. Aber die Feststellung des EuGH genügte dem BFH nicht, da der EuGH kein "feststellungsberechtigtes" Tatgericht i.S. d. FGO ist.
Hinweis
1. Durch Urteil vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 "Lidl Belgium" (BFH/PR 2008, 302) hat der EuGH – auf Vorabentscheidungsersuchen des BFH (Beschluss vom 28.06.2006, I R 84/04 (BFH/PR 2008, 508) – für den Abzug von Verlusten aus Auslandsbetriebsstätten jene Linie bestätigt, die er bereits in seinem Urteil vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (BFH/PR 2006, 112) für die britische Gruppenbesteuerung judiziert hatte:
Verluste sind im Stammhausstaat (als Ansässigkeitsstaat) nur abzugsfähig, wenn sie im Betriebsstättenstaat (als Quellenstaat) endgültig ("final") sind. Die "symmetrische" Freistellung sowohl von Auslandsgewinnen als auch von Auslandsverlusten nach Abkommensrecht ("Symmetriethese") wird dadurch eingeschränkt und für den Fall der Finalität der Verluste aufgehoben. Im Einzelnen ist auf die dazu in BFH/PR 2008, 302 gegebenen Praxis-Hinweise zu verweisen.
2. Darauf hat der BFH in seinem Schlussurteil in der Rechtssache "Lidl Belgium" nun aufgebaut (und musste er dies wegen des gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs auch tun). Viel zu entscheiden war also nicht mehr:
Die Sache war an das FG zurückzuverweisen, damit dieses nun tatrichterlich feststellen kann, ob die in Rede stehenden Verluste der luxemburgischen Betriebsstätte im Streitjahr "final" waren.
3. Dabei gilt es allerdings, noch das eine oder das andere zu beachten:
- Die besagte "Finalität" muss nachgewiesen werden, was regelmäßig nur dann gelingen wird, wenn die Betriebsstätte aufgegeben worden ist und entweder keine Absicht besteht, sie wieder einzurichten, oder falls Letzteres doch beabsichtigt ist, keine Möglichkeit im Quellenstaat besteht, Altverluste in Abzug zu bringen. Das alles verlangt ggf. eine eingehende Kenntnis und Analyse des ausländischen Steuerrechts. Darauf wird sich die praktische Problematik nunmehr verlagern.
- Gelingt der Nachweis der "Verlustfinalität", dann kommt es zum Abzug. "Phasengleich" im Verlustentstehungsjahr kann dies nur bei Finalität in jenem Jahr geschehen.
Andernfalls besteht in zeitlicher Hinsicht derzeit Ungewissheit: Entweder der Verlustabzug ist bei späterer Finalität rückwirkend auf das Verlustsentstehungsjahr zu bewerkstelligen. Das kann, falls bereits Bestandskraft eingetreten ist, über § 175 Abs. S. 1 Nr. 2 AO geschehen. Oder aber erst im "Finalitätsjahr".
Für beides lassen sich Argumente finden: Für die Rückwirkung spricht, dass für die Auslandsverluste nach gegenwärtiger Regelungslage keine Verlustfeststellung entsprechend § 10d Abs. 4 EStG existiert. Außerdem lässt sich nur so ve...