Prof. Dr. Wanja Wellbrock
Zusammenfassung
Im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist die Verantwortung verpflichteter Unternehmen unterschiedlich ausgestaltet. Eine vollumfängliche Verantwortung besteht primär für den eigenen Geschäftsbereich sowie die unmittelbaren Zuliefererstrukturen. Bzgl. weiter vorgelagerter mittelbarer Zulieferer müssen verpflichtete Unternehmen nur anlassbezogen beim Vorliegen einer substantiierten Kenntnis agieren. Was aber genau bedeutet Anlassbezogenheit im Verständnis des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und wie ist eine entsprechende Risikoanalyse auszugestalten? Mit all diesen Themen sowie einem Ausblick auf die europäische Ebene beschäftigt sich der vorliegende Beitrag und gibt zu den einzelnen Punkten praxisnahe Hilfestellungen und Fallbeispiele.
§ 2 Abs. 2 und 3 LkSG beschreiben die dem Gesetz zugrundeliegenden menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken. § 2 Abs. 5-8 LkSG definiert den eigenen Geschäftsbereich verpflichteter Unternehmen sowie die Lieferkette inklusive unmittelbarer und mittelbarer Zulieferer. § 3 Abs. 1-3 LkSG führt die Sorgfaltspflichten auf und definiert den Grundsatz der Angemessenheit. § 5 Abs. 1-4 LkSG konkretisiert die Risikoanalyse inklusive des Ausschlusses verbotener Umgehungsgeschäfte sowie die Risikorelevanz grundlegender Veränderungen der Geschäftstätigkeit. § 6 Abs. 2 LkSG bezieht sich auf die Grundsatzerklärung (auch in Hinblick auf Zulieferbetriebe). § 8 Abs. 1-5 LkSG ist bzgl. des Beschwerdeverfahrens zu beachten. § 9 Abs. 1-3 LkSG definiert die Pflichten hinsichtlich mittelbarer Zulieferer näher.
1 Begrenzte Verantwortung in der Lieferkette
Trotz vielfacher Kritik von Seiten menschenrechtsbezogener Nichtregierungsorganisationen wurde das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) bei der Einführung am 1.1.2023 nicht auf die ganze Lieferkette bis zum Rohstoffzulieferer ausgedehnt. Im Mittelpunkt stehen vielmehr primär die unmittelbaren direkt vorgelagerten Zulieferer, weiter vorgelagerte Zulieferer der Lieferkette rücken nur unter bestimmten anlassbezogenen Ausnahmezuständen in den Fokus und somit in den Handlungsspielraum verpflichteter Unternehmen nach dem LkSG.
Während das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie diesen Kompromiss als unumgänglich ansieht, um eine Umsetzbarkeit in der Unternehmenspraxis sicherzustellen, prangern gerade Nichtregierungsorganisationen die hierdurch begrenzte Hebelwirkung des Gesetzes auf unteren Ebenen der Lieferkette an. Die entsprechende Kritik an der Limitierung wird vor allem dadurch gespeist, dass menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken vermehrt in den ersten Stufen der Lieferkette auftreten, mit Nähe zum Rohstoffzulieferer also signifikant zunehmen. Der Arbeitskreis Rohstoffe kommentiert seine ursprüngliche Erwartungshaltung an das LkSG folgend: "Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass Menschenrechtsverletzungen und Umweltverbrechen auch in der tieferen Rohstofflieferkette verhindert werden. Dazu muss sie Unternehmen zu umfassenden Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette verpflichten, wie es die UN-Standards vorsehen."
Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass das deutsche LkSG beim Entwurf des Gesetzes durchaus den Erwartungen der Unternehmensvertreter entgegengekommen ist und somit auch vom geforderten Standard der Vereinten Nationen abweicht. Relevante Entwicklungen auf der europäischen Ebene weisen allerdings darauf hin, dass ein geplantes europäisches Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD), diese Erleichterung nicht weiter enthalten wird und somit die Transparenz der gesamten Lieferkette im Mittelpunkt steht. All diese Themen basierend auf einer rechtskonformen Vorgehensweise laut dem LkSG stehen im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags.
2 Verpflichtungen laut Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gegenüber unmittelbaren Zulieferern
2.1 Differenzierung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Zulieferern
Laut § 2 Abs. 5 LkSG bezieht sich die Lieferkette auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens. Sie umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu der Lieferung an den Endkunden. Insgesamt umfasst das LkSG somit grundsätzlich folgende 3 Bereiche:
1. Das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich
2. Das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers
3. Das Handeln eines mittelbaren Zulieferers
Der eigene Geschäftsbereich umfasst hierbei laut § 2 Abs. 6 LkSG jede direkte Tätigkeit des Unternehmens zur Erreichung des Unternehmensziels, egal, ob sie an einem Standort im In- oder Ausland vorgenommen wird. Erfasst ist damit jede Tätigkeit des Unternehmens zur Herstellung und Verwertung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen.
Der Bereich "unmittelbare Zulieferer" umfasst nach § 2 Abs. 7 LkSG alle Partner eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, deren Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind. Gemeint sind somit d...