Unternehmen müssen das Beschwerdeverfahren entlang der gesamten Lieferkette anbieten. Das ergibt sich aus dem Zusammenspiel zwischen § 8 LkSG und § 9 LkSG:
§ 8 LkSG sieht vor, dass Unternehmen das Beschwerdeverfahren im eigenen Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferern zur Verfügung stellen müssen. Unmittelbare Zulieferer sind direkte Vertragspartner des Unternehmens.
§ 9 Abs. 1 LkSG erweitert diese Pflicht dahingehend, dass auch Personen, die durch das Verhalten eines mittelbaren Zulieferers betroffen sind, die Möglichkeit haben müssen, darauf hinzuweisen. Wer mittelbarer Zulieferer ist, ergibt sich aus § 2 Abs. 8 LkSG. Danach ist mittelbarer Zulieferer jedes Unternehmen, das kein unmittelbarer Zulieferer ist und dessen Zulieferungen für die Herstellung des Produkts des Unternehmens oder zur Inanspruchnahme seiner Dienstleistung notwendig sind.
In der Praxis sind nur wenige Unternehmen in der Lage, der gesetzlichen Pflicht vollständig zu entsprechen, das Beschwerdeverfahren entlang der gesamten Lieferkette zur Verfügung zu stellen. Die meisten Unternehmen haben keinen vollständigen Überblick über ihre gesamten Lieferketten; es ist in der Regel nicht ohne weiteres (und schon gar nicht sofort) möglich, diesen Überblick zu gewinnen. Unternehmen können deshalb das Beschwerdeverfahren nur soweit anbieten, wie sie ihre Lieferkette kennen. Dies ist per se kein Verstoß gegen das Gesetz. Auch die Pflicht zur Einrichtung des Beschwerdeverfahrens muss, wie alle anderen Pflichten nach dem LkSG, nur im Rahmen des Angemessenen erfüllt werden.
Implementierung des Beschwerdeverfahrens: Schwerpunkte in der Lieferkette setzen
Das bedeutet einerseits, dass Unternehmen keine Pflicht trifft, ihre Lieferketten umfassend und vollständig zu ermitteln. Es bedeutet andererseits, dass Unternehmen auch in den Teilen ihrer Lieferkette, die ihnen bekannt sind, das Beschwerdeverfahren nicht flächendeckend anbieten müssen. Auch hier empfiehlt es sich, Schwerpunkte zu bilden und sich zunächst auf Bereiche zu konzentrieren, die im Rahmen der Risikoanalyse als besonders risikoreich identifiziert wurden.
Perspektivisch sollte Unternehmen sich aber bemühen, sich einen möglichst weitgehenden Überblick über die Lieferkette zu verschaffen. Das gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass das BAFA seine Anforderungen bei der Umsetzung des LkSG wohl verschärfen wird. Es empfiehlt sich auch im Hinblick auf internationale Regelungen.
Die EU-Kommission, das EU-Parlament und der Ministerrat der EU haben sich am 13. Dezember 2023 in den sog. Trilogverhandlungen über die wesentlichen Punkte der künftigen EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen bezüglich Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) geeinigt. Der endgültige Text steht noch nicht fest. Auch die Richtlinie verpflichtet jedoch Unternehmen zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens. Die Pflichten der erfassten Unternehmen beziehen sich dabei nicht nur auf Zulieferer im engeren Sinne, sondern erfassen auch den Transport und die Lagerung im Rahmen des Vertriebes sowie die Entsorgung. Sie gehen damit weiter als die Pflichten nach dem LkSG
Die Entwaldungsverordnung der EU verlangt betroffenen Unternehmen etwa ebenfalls ab, einen Überblick über ihre Lieferkette zu haben. Darüber hinaus gibt es auch in verschiedenen anderen Staaten andere Gesetz, für deren Einhaltung Unternehmen ihre Lieferkette kennen müssen. Ein Beispiel ist das französische "Loi de Devoir de Vigilance". Auch im Zusammenhang mit dem amerikanischen "Uyghur Forced Labour Prevention Act" müssen Unternehmen die Herkunft ihrer Produkte lückenlos darlegen, wenn sie die Vermutung entkräften wollen, dass diese mithilfe von Zwangsarbeit hergestellt worden sind.