Prof. Dr. Wanja Wellbrock
Verpflichtete Unternehmen sollten stets prüfen, welche Informationen sie tatsächlich von ihren Zulieferern benötigen, um eine angemessene Risikoanalyse durchzuführen. Gleiches gilt für die Zulieferer. Oft werden umfangreiche Informationen angefordert, die für die Risikoanalyse nicht immer erforderlich sind. Je nach Branche können beispielsweise Fragen zu Kinderarbeit oder Zwangsarbeit bei einem deutschen Zulieferer unbegründet sein. Es mag einfacher erscheinen, umfangreiche Informationen von allen Zulieferern einzuholen, jedoch besteht hierbei die Gefahr, dass viele dieser Informationen nicht zum besseren Verständnis der Risikoexposition der Lieferketten beitragen. Dies kann zu erheblichen unnötigen Aufwand und Kosten für nicht-verpflichtete Zulieferer führen. Verpflichtete Unternehmen sollten den entstehenden Aufwand weitestgehend ausgleichen und dabei stets die Leistungsfähigkeit und Bedürfnisse ihrer Zulieferer im Blick behalten.
Um überzogene Forderungen an nicht-verpflichtete Zulieferer zu vermeiden, ist durch die verpflichteten Unternehmen stets das Risikoprofil ihrer direkten Zulieferer und deren Vorlieferanten zu ermitteln. Es ist nicht notwendig, risikoarme Zulieferer genauso detailliert einzubeziehen wie risikogeneigte. Gemeinsame Fragebogenformate und die Nutzung bereits ausgefüllter Fragebögen oder Bewertungsbögen können den Aufwand der Analyse reduzieren. Interoperabilität von Programmen und branchenübergreifende Zusammenarbeit können hierbei hilfreich sein. Branchenspezifische Zusammenschlüsse können Angebote für übergeordnete Analysen entwickeln, die Unternehmen bei ihrer Risikoanalyse unterstützen.
Verpflichtete Unternehmen müssen Transparenz und Kenntnis der Lieferkette gewährleisten. Zulieferer können allerdings Bedenken haben, ihre Informationen preiszugeben. Produzierende Unternehmen haben oft weniger Vorbehalte, während gerade Händler und Importeure diesbezüglich oftmals ein erhebliches Geschäftsrisiko sehen. Ein Dialog zwischen Zulieferern und Unternehmen ist daher wichtig, um zu klären, welche Informationen tatsächlich benötigt werden. Geschäftsbeziehungen und Lieferketten sind zudem oftmals als Geschäftsgeheimnisse geschützt, wodurch es auch vorkommen kann, dass Unternehmen Informationen verlangen, die Zulieferer gar nicht erst weitergeben dürfen.
Im Rahmen der Risikoanalyse können verpflichtete Unternehmen um Erlaubnis bitten, Vor-Ort-Besuche oder Audits bei Zulieferern durchzuführen. Jedoch stoßen sie oft auf Schwierigkeiten, da Zulieferer nicht bereit oder in der Lage sind, solche Kontrollrechte einzuräumen. Überzogene Kontroll- und Auditierungsvorhaben können auch rechtlich unwirksam sein. Zulieferer sollten Vereinbarungen sorgfältig prüfen, um unangemessene Benachteiligungen zu vermeiden. Grundlegend sollten sie vorsichtig und datensparsam agieren und genau nachfragen, welche Daten ihre Abnehmer benötigen. Sensible Informationen sind gegebenenfalls zu schwärzen und eine vertragliche Berufung auf Verschwiegenheitspflicht ist ebenfalls denkbar. Obwohl nicht-verpflichtete Zulieferer somit grundsätzlich nicht kooperieren müssen, ist dennoch zu beachten, dass eine vollständige Verweigerung von Informationsanfragen die Geschäftsbeziehung zu ihren Kunden langfristig belasten kann.