Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Stellt ein Strafgericht die Arbeitgebereigenschaft eines Steuerpflichtigen fest, kann sich das FG diese Feststellung für Fragen der Lohnsteuerhaftung zu Eigen machen, sofern der Steuerpflichtige keine substantiierten Einwände dagegen vorbringt.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige war vom Amtsgericht München wegen vorenthaltenem und veruntreutem Arbeitsentgelt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Das Gericht war davon ausgegangen, dass der Mann über eine OHG diverse Bauaufträge ausgeführt und als Arbeitgeber polnische Arbeitnehmer beschäftigt hatte.
Das Finanzamt nahm den Steuerpflichtigen schließlich aufgrund nicht einbehaltener und abgeführter Lohnsteuer in Haftung und ging ebenfalls davon aus, dass dieser als Arbeitgeber aufgetreten war. Hiergegen wandte sich der Steuerpflichtige mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das FG. Er erklärte, dass er nicht selbst als Arbeitgeber aufgetreten sei, sondern lediglich als Betriebsleiter der OHG, sodass er im Ergebnis nicht in Haftung genommen werden dürfe.
Entscheidung
Das FG erklärte, dass der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) unbegründet ist, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids bestehen. Nach der im AdV-Verfahren durchzuführenden summarischen Prüfung war der Steuerpflichtige nach Überzeugung des FG als Arbeitgeber der polnischen Arbeiter anzusehen.
Das Strafgericht hatte festgestellt, dass die OHG lediglich zum Schein vorgeschoben war und tatsächlich der Steuerpflichtige für Unterkunft, Arbeitskleidung und Entlohnung der polnischen Arbeitskräfte gesorgt hatte. Aus diesen Gesamtumständen hatte das Strafgericht geschlossen, dass der Steuerpflichtige der tatsächliche Arbeitgeber der Arbeitskräfte war. Das FG machte sich diese Feststellung des Strafgerichts zu Eigen, da der Steuerpflichtige im finanzgerichtlichen Prozess keine substantiierten Einwendungen gegen seine Arbeitgebereigenschaft vorgebracht hatte. Die vom Steuerpflichtigen geforderte "nachzuholende Beweisaufnahme" darf in einem Verfahren über die AdV nicht vorgenommen werden, da für AdV-Zwecke nur eine Prüfung auf Grundlage der präsenten Beweismittel zulässig ist (= Eilverfahren).
Die Haftungsinanspruchnahme durch das Finanzamt ist nach Auffassung des FG ferner ermessenfehlerfrei erfolgt.
Link zur Entscheidung
FG München, Beschluss vom 22.06.2012, 8 V 1021/12