Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH v. 10.12.2009, XI R 39/08, ging es um die Frage, ob die Margenregelung für Reiseleistungen nach Art. 26 der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Art. 306 bis 310 MwStSystRL) auch für den isolierten Verkauf von Opernkarten durch ein Reisebüro ohne zusätzlich erbrachte Leistungen gilt.
Die Klägerin betreibt ein Reisebüro. U.a. erwarb sie in den Streitjahren von einer Oper Eintrittskarten und veräußerte diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an Endabnehmer und Reisebüros entweder im Zusammenhang mit anderen von ihr erbrachten Leistungen (Unterbringung, Stadtführung, Shuttleservice, Bewirtung) oder ohne solche Leistungen. Streitig war, ob der isolierte Verkauf von Opernkarten der Margenbesteuerung der Sonderregelung für Reisebüros unterliegt.
Der EuGH (Urteil v. 12.11.1992, C-163/91 (Van Ginkel)) hatte zu Art. 26 der 6. EG-Richtlinie entschieden, dass die Sonderregelung für Reisebüros und Reiseveranstalter auch dann anzuwenden ist, wenn diese nicht die Beförderung des Reisenden übernehmen, sondern sich darauf beschränken, dem Reisenden eine Ferienwohnung zur Verfügung zu stellen. Der BFH hielt es für zweifelhaft, ob die zur Vermietung einer Ferienwohnung als einer typischen Reiseleistung ergangene Rechtsprechung des EuGH gleichermaßen für den isolierten Verkauf von Opernkarten gilt. Einerseits könnten die Ausführungen in dem EuGH-Urteil Van Ginkel bedeuten, dass eine Einzelleistung eines Reisebüros oder Reiseveranstalters nur dann unter Art. 26 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie fällt, wenn sie in einer der Kernleistungen der von dieser Bestimmung erfassten Wirtschaftsteilnehmer, nämlich entweder in einer Beförderungsleistung oder in einer Unterbringungsleistung (z.B. Vermietung einer Ferienwohnung), besteht. Andererseits könnte die Begründung des Urteils Van Ginkel dafür sprechen, dass Art. 26 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie - unabhängig von der Art der erbrachten Leistung und deren Bezug zu einer Reise - bereits dann anwendbar ist, wenn das Reisebüro oder der Reiseveranstalter im eigenen Namen und nicht als Vermittler handelt.
Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, dass für den isolierten Verkauf von Opernkarten die Margenbesteuerung für Reisebüros nicht angewendet werden kann. Er hat seine frühere Rechtsprechung bestätigt, dass üblicherweise von Reisebüros und Reiseveranstaltern erbrachte Leistungen dadurch gekennzeichnet sind, dass sie sich regelmäßig aus mehreren Leistungen, insbesondere Beförderungs- und Unterbringungsleistungen, zusammensetzen (EuGH, Urteil v. 13.10.2005, C-200/04 (iSt), Urteil v. 19.6.2003, C-149/01 (First Choice Holidays), Urteil v. 22.10.1998, verb. Rs. C-308/96 und C-94/97 (Madgett und Baldwin), Urteil v. 20.2.1997, C-260/95 (DFDS), Urteil v. 12.11.1992, C-163/91 (Van Ginkel).
Der EuGH weist ausdrücklich darauf hin, dass er mit seinem Urteil. 12.11.1992, C-163/91 (Van Ginkel) nicht entschieden habe, dass jede isolierte Leistung, die ein Reisebüro oder ein Reiseveranstalter erbringt, unter die Sonderregelung nach Art. 26 der 6. EG-Richtlinie fällt. Zwar ist es für die Anwendung der Margenregelung nicht entscheidend ist, dass die Umsätze von Reisebüros oder Reiseveranstaltern im üblichen Wortsinne durchgeführt werden (Urteil v. 13.10.2005, C-200/04 (iSt), Urteil v. 22.10.1998, verb. Rs. C-308/96 und C-94/97 (Madgett und Baldwin)). Eine solche Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass gleiche Leistungen je nach der formalen Eigenschaft des Unternehmers verschiedenen Bestimmungen unterlägen. Dem entsprechend stellt der EuGH bei Unternehmern, die selbst keine Reisebüros oder Reiseveranstalter im üblichen Wortsinne sind, für die Anwendung der Margenregelung darauf ab, ob sie "gleichartige Umsätze wie ein Reisebüro oder Reiseveranstalter" erbringen (EuGH, Urteil v. 13.10.2005, C-200/04 (iSt)).
Dies gilt - so ist das jetzige Urteil zu verstehen - auch in umgekehrter Richtung. Selbst dann muss es sich bei den in Rede stehenden Leistungen um "gleichartige Umsätze wie ein Reisebüro oder Reiseveranstalter" handeln, wenn die Umsätze von einem Reisebüro oder Reiseveranstalter im üblichen Wortsinne ausgeführt werden. Bietet ein Reisebüro oder Reiseveranstalter auch Leistungen an, die nicht üblicherweise von derartigen Unternehmen erbracht werden, so können diese besonderen Merkmale nicht gegeben sein. Dies ist für den Verkauf von Opernkarten der Fall. Opernkarten können auch von anderen Unternehmern als Reisebüros verkauft werden, so dass die Anwendung der Margenregelung bei einem Reisebüro zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber den anderen Unternehmern führen könnte.
Aufgrund des jetzigen Urteils und der früheren Rechtsprechung zu den Reiseleistungen muss zwischen Reiseleistungen im engeren (der Margenregelung unterfallende Leistungen) und im weiteren Sinne unterschieden werden. Andernfalls würden auch die Anbieter von oftmals im Gefolge einer Reise vorkommenden Leistungen - wie etwa Restaurantbetreiber, Konzertveranstalter und viele mehr - der Margenregelung un...