Als innergemeinschaftlichen Fernverkauf von Gegenständen definiert Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 MwStSystRL die Lieferung von Gegenständen, die durch den Lieferer oder für dessen Rechnung von einem anderen Mitgliedstaat als dem der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber aus versandt oder befördert werden, einschließlich jene (Gegenstände), an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist, wenn folgende Bedingungen kumulativ erfüllt sind:
- die Lieferung der Gegenstände wird an einen Nichtunternehmer bewirkt
- die gelieferten Gegenstände sind weder neue Fahrzeuge noch Gegenstände, die mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert werden.
Insoweit gleicht dies der vorherigen Versandhandelsregelung. Neu ist aber, dass die Fernverkaufsregelung auch für Lieferungen von Gegenständen gilt, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Dies betrifft die Fälle, in denen ein anderer Unternehmer im Namen des eigentlich Liefernden befördert oder versendet, z. B. wenn der Betreiber einer Internet-Plattform, über die der liefernde Unternehmer seine Ware vertreibt, den Versand der Ware an den Privatkunden organisiert. Als umsatzsteuerlichen Lieferort des innergemeinschaftlicher Fernverkaufs von Gegenständen regelt Art. 33 Buchst. a MwStSystRL den Ort, an dem sich die Gegenstände bei Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden (der Ort der Lieferung liegt somit im Bestimmungsmitgliedstaat).
Auf die Überschreitung von Lieferschwellen im Bestimmungsmitgliedstaat kommt es seit 1.7.2021 nicht mehr an, d. h. der Ort genzüberschreitender Warenlieferungen innerhalb der EU an Nichtunternehmer (insbesondere Privatpersonen) liegt grundsätzlich im Bestimmungsmitgliedstaaat, mit der Folge dass der liefernde Unternehmer sich dort für MwSt-Zwecke erfassen lassen müsste. Allerdings wird dem Unternehmer seit 1.7.2021, wie vorher seit dem 1.1.2019 für E-Leistungen, auch für Fernverkäufe von Gegenständen die Möglichkeit eröffnet, den MOSS (seit 1.7.2021: OSS, da nun kein Mini-One-Stop-Shop mehr) zu nutzen und die Lieferungen im Ansässigkeitsstaat zu erklären.
Die Ortsbestimmung für den innergemeinschaftlichen Fernverkauf ist im nationalen Recht in § 3c Abs. 1 UStG geregelt worden.
Seit 1.7.2021 ist der Anwendungsbereich des OSS auf alle Dienstleistungen (nicht mehr nur E-Leistungen) und Fernverkäufe an Nichtabnehmer erweitert, d. h. der OSS beschränkt sich nicht mehr wie vorher auf E-Leistungen und die MwStSystRL unterscheidet seit 1.7.2021 zwischen folgenden verschiedenen OSS-Regelungen:
- für innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Gegenständen und für von in der Gemeinschaft, nicht aber im Mitgliedstaat des Verbrauchs ansässigen Unternehmern erbrachte Dienstleistungen,
- für von Drittlandsunternehmern erbrachte Dienstleistungen (Titel XII Kapitel 6 Abschnitt 2 MwStSystRL),
- für Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen.
Die neuen OSS-Regelungen wurden im nationalen Recht in den neuen §§ 18i, 18j und 18k UStG umgesetzt.
Für den innergemeinschaftlichen Fernverkauf von Gegenständen sowie für E-Leistungen gilt (wie vorher seit dem 1.1.2019 nur für E-Leistungen) seit 1.7.2021 ebenfalls ein Schwellenwert von 10.000 EUR, der nicht zur Verlagerung des Leistungsorts in den Verbrauchs- bzw. Bestimmungsmitgliedstaat führt. Das bedeutet (wie vorher seit dem 1.1.2019 für E-Leistungen), unter den Voraussetzungen,
- der leistende Unternehmer ist in nur einem Mitgliedstaat ansässig,
- die E-Leistungen werden an Nichtunternehmer erbracht, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Ansässigkeit des leistenden Unternehmers ansässig sind, oder
- die Gegenstände werden in einen anderen Mitgliedstaat als dem der Ansässigkeit des leistenden Unternehmers geliefert und
- der Gesamtbetrag – ohne MwSt – der Lieferungen oder E-Leistungen überschreitet im laufenden Kalenderjahr nicht 10.000 EUR (bzw. den Gegenwert in Landeswährung) und hat dies auch im vorangegangenen Kalenderjahr nicht getan,
greift die Verlagerung des Leistungsorts in den Verbrauchs- bzw. Bestimmungsmitgliedstaat nicht. Liegen die Umsätze unterhalb des Schwellenwerts, werden die E-Leistungen am Sitzort des leistenden Unternehmers erbracht und die Fernverkäufe am Ort des Beginns der Beförderung oder Versendung. Somit verhindert die Umsatzschwelle wie bei der vorher seit dem 1.1.2019 geltenden Regelung für E-Leistungen seit 1.7.2021 nicht nur für diese, sondern auch für die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe die Verlagerung des Leistungsorts in den Verbrauchs- bzw. Bestimmungsmitgliedstaat. Aber auch hier kann der leistende Unternehmer auf die Anwendung der Umsatzschwelle von 10.000 EUR verzichten, was ihn 2 Kalenderjahre bindet. Wie bei der vorher seit dem 1.1.2019 für E-Leistungen geltenden Regelung gilt seit 1.7.2021 auch für innergemeinschafltiche Fernverkäufe, dass mit Überschreiten der Umsatzschwelle von 10.000 EUR in ...