Die EU-Kommission hatte am 4.10.2017 ein Paket von Richtlinien- und Verordnungsvorschlägen für eine Reform der EU-Mehrwertsteuervorschriften vorgelegt. Auch hier handelte es sich ein "Follow-up" zum Aktionsplan im Bereich der MwSt. Der Vorschlag zur Änderung der MwStSystRL, enthielt insgesamt vier wesentliche Bereiche (sog. Quick Fixes - Schnelllösungen vor einer Implementierung des endgültigen MwSt-Systems für den innergemeinschaftlichen Handel):
- die (erstmalige) Einführung eines sog. "zertifizierten Steuerpflichtigen" im Mehrwertsteuerrecht (also eine Art zuverlässiger Unternehmer), der sich an dem Konzept des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten im Zollbereich (AEO) orientiert,
- die Einführung einer Konsignationslagerregelung, die die bisherigen (nicht vom Unionsrecht abgedeckten) Regelungen einzelner Mitgliedstaaten auf eine EU-einheitliche Basis stellen soll,
- die (erstmalige) Definition des Reihengeschäfts in der MwStSystRL und
- eine Aufwertung der USt-IdNr. insofern, als diese bei der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen materiell-rechtliche Bedeutung erhalten soll.
Der Rat hat am 4.12.2018 das Legislativpaket zu den sog. Quick Fixes angenommen, wobei das Institut des Zertifizierten Steuerpflichtigen ersatzlos entfallen war. Hierbei handelt es sich im Einzelnen um
- die RL 2018/1910
- die VO 2018/1909 sowie um
- die VO 2018/1912.
Die insbesondere von Frankreich und Italien geforderte Steuerbefreiung für Leistungen selbständiger Personenzusammenschlüsse in der Finanz- und Versicherungsbranche (analog zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL) war nicht als 5. Quick Fix in die Änderungen der MwStSystRL aufgenommen worden. In einer Protokollerklärung stellen der Rat und die Kommission jedoch fest, dass es notwendig ist, bei den bestehenden Mehrwertsteuervorschriften zu selbstständigen Zusammenschlüssen von Personen für Klarheit zu sorgen. Die EU-Kommission kündigt an, offene Fragen kurzfristig in einer Studie untersuchen zu wollen. Das weitere Vorgehen der Kommission bleibt abzuwarten. Die Neuregelungen gelten seit dem 1.1.2020 und mussten auch spätestens zu diesem Zeitpunkt in das jeweilige nationale Recht umgesetzt werden. Deutschland hat die sog. Quick Fixes mit dem Gesetz v. 12.12.2019 in nationales Recht umgesetzt.
Konzept des zertifizierten Steuerpflichtigen (CTP) nicht komplett gestrichen
Auch wenn das Institut des Zertifizierten Steuerpflichtigen (CTP) in der vom Rat angenommenen RL 2018/1910 nicht enthalten ist, spielt es in den Reformplänen der EU-Kommission weiterhin eine wichtige Rolle, z. B. im Rahmen der künftigen Intra-Union-Lieferungen.
2.1 Zertifizierter Steuerpflichtiger – Kommissionsvorschlag
Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Konzept des zertifizierten Steuerpflichtigen (certified taxpayer, CTP) sah vor, dass die Finanzbehörde bescheinigen kann, dass ein bestimmtes Unternehmen insgesamt als zuverlässiger Steuerzahler gilt. CTP würdendann bestimmte Vereinfachungen (bei der Konsignationslagerregelung, bei Nachweisen der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen im Zusammenhang mit der USt-IdNr. als materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerbefreiung sowie bei Reihengeschäften) zuteil. Geregelt werden sollte dieses neue Regime in Art. 13a MwStSystRL. Danach sollte ein Steuer...