Prof. Dr. Gerd Waschbusch
4.1 Zwecke des steuerrechtlichen Jahresabschlusses
Rz. 46
Der steuerrechtliche Jahresabschluss dient als Bemessungsgrundlage zur Erfolgsermittlung und zur anschließenden Ertragsbesteuerung. Aus der Ertragsbesteuerung resultieren Ertragsteuerzahlungsverpflichtungen an den Fiskus. Die Ertragsbesteuerung umfasst bei Kapitalgesellschaften die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer sowie bei Personengesellschaften die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer. Darüber hinaus ist der Solidaritätszuschlag und ggf. die Kirchensteuer zu beachten. Der steuerrechtliche Jahresabschluss stellt zudem die Bemessungsgrundlage für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer dar.
4.2 Zuordnung von Finanzinstrumenten zum steuerbilanziellen Eigen- oder Fremdkapital
Rz. 47
Neben dem Handels- und Gesellschaftsrecht ergibt sich auch aus dem Steuerrecht keine Definition für die Begriffe "Eigenkapital" und "Fremdkapital". Eine Vielzahl steuergesetzlicher Vorschriften ordnet allerdings zwingend eine Klassifizierung von Finanzinstrumenten als steuerbilanzielles Eigen- oder Fremdkapital an und knüpft an die vorgenommene Einordnung – vor allem im Ertragsteuerrecht – rechtliche Konsequenzen von enormer materieller Tragweite.
4.3 Abgrenzung zwischen steuerbilanziellem Eigen- und Fremdkapital
Rz. 48
Die steuerbilanzielle Klassifizierung von mezzaninen Finanzinstrumenten als Eigen- oder Fremdkapital orientiert sich nicht unter Beachtung des Maßgeblichkeitsprinzips gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG an dem aus den Funktionen des Eigenkapitals abgeleiteten handelsrechtlichen Eigenkapitalbegriff. Vielmehr enthalten die Steuergesetze eigenständige und von den handelsrechtlichen Abgrenzungsmerkmalen unabhängige Kriterien. Allgemeine Richtschnur für die steuerbilanzielle Qualifizierung von mezzaninen Finanzinstrumenten als Eigen- bzw. Fremdkapital bildet für schuldrechtliche Vertragsverhältnisse der Spezialfall des Genussrechts und für kooperative Schuldverhältnisse der Referenzfall der stillen Gesellschaft.
Rz. 49
Bei mezzaninen Finanzinstrumenten, die schuldrechtliche Vertragsverhältnisse darstellen, kann für Kapitalnehmer zur Abgrenzung zwischen steuerbilanziellem Eigen- und Fremdkapital auf die Ausführungen des BMF zur ertragsteuerlichen Behandlung von Genussrechtskapital zurückgegriffen werden. Danach ist von fremden Dritten im Rahmen eines schuldrechtlichen Kapitalüberlassungsverhältnisses zugeführtes mezzanines Kapital steuerrechtlich stets als Fremdkapital zu klassifizieren, da in einem solchen Fall immer von einer wirtschaftlichen Rückzahlungsverpflichtung ausgegangen werden kann. Bei mezzaninem Kapital, welches von einem Anteilseigner im Rahmen eines schuldrechtlichen Kapitalüberlassungsverhältnisses zugeführt wird, ist dagegen zu prüfen, ob das Kapital dauerhaft und ohne die Absicht zur Rückzahlung überlassen wurde oder ob es sich um eine Kapitalüberlassung auf Zeit mit einer Rückzahlungsvereinbarung handelt. Im ersten Fall ist das mezzanine Kapital steuerrechtlich als Eigenkapital und im zweiten Fall als Fremdkapital einzustufen. Steuerrechtlich gesehen ist somit das entscheidende Kriterium für das Vorliegen von Fremdkapital eine bestehende, ernst gemeinte Rückzahlungsverpflichtung für das mezzanine Kapital.
Rz. 50
Sofern mezzanines Kapital steuerrechtlich als Fremdkapital eingestuft wird, hat dies zur Folge, dass es in der Steuerbilanz grundsätzlich als Verbindlichkeit zu passivieren ist (erfolgsneutraler Vorgang), da eine dem Inhalt und der Höhe nach bereits bestimmte Leistungspflicht vorliegt, die erzwingbar ist und eine wirtschaftliche Belastung darstellt. Lediglich bei Vorliegen zweier unabhängiger Sachverhalte kann es zu einem Passivierungsverbot des mezzaninen Kapitals als Verbindlichkeit kommen. So ist eine Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht bzw. nicht mehr zu passivieren, wenn sie keine wirtschaftliche Belastung am Abschlussstichtag darstellt. Dies ist vor allem dann gegeben, wenn bei einer Abwägung aller konkreten Umstände des Einzelfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bzw. nicht mehr damit zu rechnen ist, dass der Gläubiger seine Forderung geltend machen wird. Allein die Vereinbarung einer Zinszahlungsverpflichtung steht dem nicht entgegen. Die Vereinbarung eines Nachrangs beim mezzaninen Kapital, verbunden mit einer Teilnahme an Verlusten, schließt hingegen dessen wirtschaftliche Belastung nicht aus. Auch aus der Dauer der Kapitalüberlassung können keine pauschalen Rückschlüsse auf eine fehlende wirtschaftliche Belastung des mezzaninen Kapitals gezogen werden. Ebenso wenig kann allein die Tatsache, dass der Schuldner die Verbindlichkeit mangels ausreichenden Vermögens nicht oder nur teilweise zurückzahlen kann, die Annahme einer fehlenden wirtschaftlichen Belastung des mezzaninen Kapitals begründen. Ferner dürfen Verpflichtungen aus der Aufnahme von mezzaninem Kapital, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahm...