Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Gewährt ein Hersteller aus dem Gemeinschaftsgebiet ohne Einbindung des Großhändlers dem im Inland ansässigen Einzelhändler einen Rabatt, hat der Einzelhändler seinen Vorsteuerabzug zu mindern.
Sachverhalt
Vereinfacht dargestellt: Ein im Inland ansässiger Einzelhändler bezog über einen ebenfalls im Inland ansässigen Großhändler Waren aus dem Vereinigten Königreich. Die Herstellerfirma erklärte ihre Warenverkäufe an den Großhändler als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Der Großhändler versteuerte dementsprechend innergemeinschaftliche Erwerbe, machte den Vorsteuerabzug daraus geltend und lieferte im Inland umsatzsteuerpflichtig an den Einzelhändler weiter. Die von dem Hersteller direkt an den Einzelhändler gewährten Rabatte für dessen Einkäufe beim Großhändler erklärte der Einzelhändler als negative innergemeinschaftliche Erwerbe. Daraus ergab sich eine negative Umsatzsteuer i. H. v. 7.000 EUR sowie korrespondierend dazu eine negative Vorsteuer aus innergemeinschaftlichen Erwerben in gleicher Höhe (Gesamtauswirkung: 0 EUR).
Das Finanzamt vertrat im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung die Auffassung, dass der Einzelhändler keinen negativen innergemeinschaftlichen Erwerb und keinen negativen (innergemeinschaftlichen) Vorsteuerabzug zu deklarieren habe, sondern kürzte den inländischen Vorsteuerabzug, der sich aus den Einkäufen beim Großhändler ergab um 7.000 EUR.
Entscheidung
Die Klage vor dem FG wurde als unbegründet zurückgewiesen. Danach ist die Vorsteuerberichtigung beim Einzelhändler durchzuführen, obwohl der Rabatt nicht von seinem Vertragspartner, dem Großhändler, sondern von der Herstellerfirma gewährt wurde. Denn der Einzelhändler wird durch die Änderung der Bemessungsgrundlage durch den Hersteller, der nicht sein Vertragspartner ist, wirtschaftlich begünstigt i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG. Die Berücksichtigung von Entgeltminderungen, die außerhalb der Vertrags- und Leistungsbeziehungen gewährt werden, stellt eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers bei Schaffung des § 17 Abs. 1 UStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung dar. Da § 17 Abs. 1 Satz 5 UStG die Anwendung für innergemeinschaftliche Erwerbe sinngemäß vorsieht, ist die Entscheidung des Finanzamts folgerichtig. Dabei ist auch zu bedenken, dass der in Großbritannien ansässige Hersteller die Berichtigung des (aus seiner Sicht steuerfreien) Entgelts in der Zusammenfassenden Meldung zu erklären und der Großhändler (der aus dem Rabatt nicht unmittelbar begünstigt ist) nur den geminderten Betrag als innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern hat. Allerdings bleibt der Vorsteuerabzug des Großhändlers von dieser Minderung der Bemessungsgrundlage des innergemeinschaftlichen Erwerbs unberührt. Bei dem Einzelhändler ist dann entsprechend seiner tatsächlichen Belastung nur der Betrag als Vorsteuer abziehbar, den er tatsächlich für den Erhalt der Ware aufgewendet hat.
Hinweis
Unterm Strich löste das FG den Fall also wie folgt: Der Hersteller in Großbritannien hat seine Bemessungsgrundlage um den Rabatt zu vermindern, was allerdings wegen der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen keine unmittelbare materielle Auswirkung bei ihm hat. Der im Inland ansässige Großhändler, der vom Rabatt eigentlich nicht betroffen ist, darf die Bemessungsgrundlage für seinen innergemeinschaftlichen Erwerb vermindern, den Vorsteuerabzug aber auf Basis des regulären Preises vornehmen. Der Einzelhändler wiederum muss seinen Vorsteuerabzug entsprechend seiner wirtschaftlichen Belastung vermindern. Ob diese Lösung vor dem BFH bzw. EuGH Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Die Revision beim BFH ist unter dem Az V R 6/13 anhängig. In der Literatur wird es auch für möglich gehalten, dass der Herstellerfirma im Inland (Bestimmungsland der Warenlieferung) ein Rückforderungsanspruch in Höhe der anteiligen Umsatzsteuer zusteht. Aus europäischer Sicht könnte eine Lösung womöglich auch dergestalt erfolgen, dass von einer Vorsteuerkorrektur beim Einzelhändler abgesehen wird, da die Lieferung des Rabatt gewährenden Herstellers (an den Großhändler) gar nicht umsatzsteuerpflichtig ist. Bis auf Weiteres sollten Vorsteuerkürzungen in vergleichbaren Fällen bei Einzelhändlern nicht ohne Weiteres hingenommen werden.
Link zur Entscheidung
Sächsisches FG, Urteil vom 18.12.2012, 3 K 590/10